Birne sucht Helene
ERSTERGANG
Vom Glück der Kiwi
Eli war glücklicher als ein Bär im Honigfass. Sie hatte doch tatsächlich den einzigen, ehrlichen Gebrauchtwagenhändler Deutschlands gefunden! Das konnte sie an seinen Augen sehen, die waren dunkelbraun und total vertrauenswürdig. Er hatte völlig recht. Rostflecken waren ganz normal bei einem Auto von acht Jahren, und auf den durchgesessenen Fahrersitz brauchte sie bloß ein Kissen zu legen, dann ging das schon. Er hatte ihr sogar extra 15 Euro Nachlass gegeben, damit sie sich eins kaufen konnte. Und wie nett, dass er für ihren alten Fiesta noch 300 Euro bezahlt hatte, obwohl doch der ganze Motor hin war, wie er sagte. Er musste sie ins Herz geschlossen haben! Na ja, sie hatte auch ein wenig mit ihm geflirtet.
Eli packte die Fahrzeugpapiere ein und fuhr in bester Stimmung vom Gelände des »Gebrauchtwagen-Paradies Ratz-Fatz (Inh. Toni Amoroso)«. Dabei kümmerte sie sich, genau wie Toni ihr geraten hatte, nicht um das leise Klappern des Auspuffs.
»Der geht problemlos durch die TÜV , da könne Sie sich Hundertprozent darauf verlasse.«
Eigentlich war sie keine Polo-Fahrerin, und schon gar nicht in dieser Farbe. Gott, wie nannte man die überhaupt? Dschungelgrün? Moosblau? Sie hatte noch nie zuvor einen Wagen in dieser Farbe gesehen. Man bekam automatisch einen unscharfen Blick, wenn man versuchte sich auf die Lackierung zu konzentrieren. Irgendwie erinnerte sie der kleine Wagen an Das Ding aus dem Sumpf . Eli schloss ihn trotzdem ins Herz. Er war nun ihr kleines Sumpfmonster. Und sie wollte am liebsten gleich der ganzen Welt vonder Neuerwerbung erzählen, mit ihren besten Freunden zur Feier des Tages richtig gut essen gehen, in einem Restaurant mit Kerzen, tollen Weinen – und einer extra langen Dessertkarte. Doch zuerst würde sie den unangenehmsten Anruf des Tages in Angriff nehmen. Man musste den Stier bei den Hörnern packen – und dieser Stier hatte ihr für den Wagen finanziell unter die Arme gegriffen. Es war der Stier namens Mama. Innerlich fluchte Eli darüber, dass sie immer noch Geld von ihr brauchte, wo sie mit Ende zwanzig doch längst auf eigenen Beinen stehen wollte. Doch das Schicksal hatte es dafür nicht gut genug mit ihr gemeint. Sondern »eher so mittel«, wie eine ihrer Arbeitskolleginnen in der Kölner Buchhandlung Eselsohr immer sagte.
Aber mit »Sumpfi« – wie Eli nun beschlossen hatte, ihren neuen Wagen zu nennen – würde ein neuer Lebensabschnitt beginnen! Bei anderen Frauen startete er mit einer neuen Frisur, bei ihr mit einem neuen Auto. Das war immerhin das 21 . Jahrhundert.
Ihre Mutter brauchte wieder ewig, um den Hörer abzunehmen. Und war atemlos, als sie sich endlich meldete. Hatte sie auf dem Weg zum Telefon etwa Saltos und Flickflacks vollführt?
Eli entschied sich, ihre Mutter einfach zu überrumpeln: »Du glaubst ja nicht, was ich gerade gemacht habe. – Woher weißt du …? – Aber ich habe doch …! – Nein, einen Polo. Das ist ein Volkswagen. Kein Franzose. – In … einer Art Grün. – Acht Jahre, aber noch topp in Schuss! – Nein, Mama, ich habe mich nicht übers Ohr hauen lassen. Und ich weiß auch nicht, warum du »wie immer« sagst. – Ist schon okay, und danke noch mal für das Geld. Das war echt lieb von dir. – Klar, komme ich bald mal bei dir in Bonn vorbei. Muss dir das Schmuckstück doch zeigen.«
Es folgte ein Moment der Stille, denn eigentlich war alles gesagt. Eli wollte sich schnell verabschieden, bevor ihre Mutter die Lieblingsplatte auflegte.
Doch sie war nicht schnell genug.
DieLieblingsplatte trug den Titel »Hast du endlich einen Freund?«. Dabei schwang immer mit, dass man ohne Mann quasi nicht komplett sei. Und es eine Art Krankheit wäre, keinen zu haben. Elis letzter Freund lag schon zwei Jahre zurück und sie war kurz davor, einen zu erfinden, nur damit ihre Mutter endlich Ruhe gab.
Andererseits fand Eli, dass man sich nicht dafür zu schämen brauchte, solo zu sein. Und ihre Mutter würde sie nicht dazu bringen, sich deshalb schlecht zu fühlen!
Das tat sie sowieso schon.
Aber diesmal war sie vorbereitet.
»Nein, aber …«
Sie kam nicht weiter, denn ihre Mutter schoss den zweiten Satz ab, den Eli so hasste.
»Kauf dir doch mal was Schickes zum Anziehen. Ich geb dir auch das Geld. Was Modernes. Nicht immer dieses Second-Hand-Zeug. Dann klappt das auch.«
Von diesem »Second-Hand-Zeug«, das ihre Mutter so hasste, hatte Eli den ganzen Schrank voll. Denn sie liebte
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