Dracyr – Das Herz der Schatten
Blick, tat zerknirscht, aber sie sah das mutwillige Lächeln, das seinen Mund umspielte. » Ich bitte untertänigst um Vergebung, edle Lady « , sagte er. » Natürlich schenke ich Euch diesen wundervollen, prächtigen, süÃen Apfelâ und das ganz und gar ohne Nebengedanken. « Er reichte ihr die Frucht, und ihre Finger berührten sich, als sie den Apfel in Empfang nahm. Die Berührung war kurz und zärtlich, und Kay schluckte, als die Sehnsucht nach jemandem, der sie in den Arm nahm, sie tröstete und ihr liebe Worte ins Ohr flüsterte, übermächtig wurde. Sie holte bebend Luft, überspielte das Zittern, das sie überfiel, mit einem breiten Lächeln und biss in den Apfel.
Das feste Fruchtfleisch knirschte unter ihren Zähnen, kühler, süÃsäuerlicher Saft spritzte auf ihre Zunge, ein wunderbarer Geschmack erfüllte ihren Mund so ganz und gar, dass ihr einen Moment lang die Gedanken stockten.
Mit einem tiefen, lustvollen Seufzen tauchte sie zurück in die Wirklichkeit. » Das ist so gut « , sagte sie und biss erneut ein groÃes Stück ab. Sie erwiderte Leon Quentins erwartungsvollen Blick, zögerte und reichte ihm das angebissene Obst. » Probier ihn selbst. Er ist göttlich. «
Leon nahm den Apfel entgegen und beugte sich vor, um ihre vom Saft klebrigen Fingerspitzen zu küssen und einige Bröckchen Apfelfleisch davon abzulecken. Kay erschauderte und zog hastig die Hand weg. Sie wischte ihre Finger an der Schürze ab und sagte abwehrend: » Nicht! Was fällt Euch ein, Master Quentin? «
» Was denkt Ihr denn, was mir einfällt, Mistress Donne? « Er grinste unverschämt und biss ein Riesenstück aus ihrem Apfel.
Kay zog eine Schnute. » Das nennt Ihr geschenkt? Ihr habt gerade Euer halbes Geschenk wieder zurückgenommen. «
Er sah nachdenklich auf den Apfelrest in seiner Hand, dann legte er ihn sorgfältig auf seiner Kiepe ab, beugte sich vor, nahm Kays Gesicht in beide Hände und küsste sie. Dabei schob er ein Stück Apfel in ihren Mund und in ihrer Verwirrung biss sie davon ab. Kauend, küssend, sich verschluckendâ Kay gab einen erstickten Protestlaut von sich und schob Leon mit beiden Händen weg. » Unverschämter Kerl « , prustete sie und wischte sich über die Lippen. » Was denkst du dir, mich so zu überfallen? «
Er lehnte sich gegen die Hauswand, aà den Apfel säuberlich mitsamt Kerngehäuse auf und musterte sie dabei. » Du bist so schön, ich könnte dich den ganzen Tag ansehen « , sagte er. » Sind wir Freunde, Karolyn Donne? «
Kay wurde rot, sie spürte es. Sie legte schützend die Hand an ihre Wange und senkte den Blick. Hatte jemals ein Junge sie gefragt, ob sie Freunde seien? Der Sohn der Kerrymans hatte ihr ein wenig den Hof gemacht, aber er war ein Tölpel, ein grober, ungeschliffener Klotz. Und der kleine Simmons hatte einmal versucht, sie hinter dem Heuschober zu küssen, aber das hatte in einem groÃen Gelächter geendet und sie hatten sich danach auch nicht mehr ungestört getroffen. Kay hatte nicht viel Gelegenheit gehabt, mit jungen Männern zu verkehren. Ein Kloster war ein Kloster, auch wenn sie weder Nonne noch Novizin gewesen war. Die Zöglinge im Kloster der Heiligen Brigid waren den gleichen Regeln unterworfen wie seine Nonnen.
Sie hob den Blick und lächelte Leon an. » Freunde, ja « , sagte sie. » Aber Ihr seid mir ein bisschen zu forsch, edler Duke. Lasst einer armen Jungfer doch ein wenig mehr Zeit. «
Ein Schatten flog über sein Gesicht und wischte alle Fröhlichkeit und Unbeschwertheit wie mit einem Schwamm aus seiner Miene. » Zeit « , wiederholte er. » Ach, Karolyn, wenn wir die doch nur hätten! « Dann schwieg er und die Stimmung war verdorben. Er wandte sich ab, um seine Kiepe aufzunehmen. Kay hatte das dringende Gefühl, ihm noch etwas Tröstendes sagen zu müssen.
» Meine Familie nennt mich Kay « , sagte sie schnell. » Magst du⦠«
Er warf ihr einen Blick zu, den sie nicht zu deuten wusste. » Kay « , wiederholte er langsam. » Das ist allerdings ein bemerkenswerter Name, der mir süà in den Ohren klingt. Sehr süà sogar! « Dann ging er davon.
In den nächsten Tagen fand Kay keine Gelegenheit mehr, sich mit ihrer Ohnmacht und allem, was damit zusammenhing, zu beschäftigen. Unter den Kammermädchen und
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