Dracyr – Das Herz der Schatten
Er liebt seinen Dracer mehr als alles andere auf der Welt. Die Vorfreude auf einen langen Flug mit Noctyria lässt ihn erschaudern.
Am Tunnelende erwartet sie Dandalon, Corenas löwenzahnfarbener Warner. Er beschnuppert die Wyvern, die ihn wie immer ignoriert. Noctyria ist an Dandalon nicht interessiert, aber der Warner versucht dennoch immer wieder, sie zu kirren. Seine Zunge zuckt vor und leckt ihr über die Atemöffnungen an der Halsseite. Noctyria zischt, kleine Funken stieben. Damian nimmt die Gerte und schlägt Dandalon damit über die Wange. Er mag es nicht, Dracyr auf die Nüstern zu schlagen. Es ist die schmerzempfindlichste Stelle, und er findet es unnötig, das zu tun, wenn es nur darum geht, einen kleinen Ungehorsam zu ahnden.
Dandalon schnauft beleidigt und zieht den Kopf zurück. Damian überprüft das Sattelzeug des Warners und lockert die Brustgurte ein wenig. So lange niemand im Sattel sitzt, kann er weniger straff befestigt werden, was die Flankenschuppen schont. Für den Rückflug wird er Gwilim Stryker anweisen, das Sattelzeug zu befestigen, und so gleich überprüfen, wie sich der Junge schlägt. Damian seufzt. Es wird ein hartes Stück Arbeit für einen unerfahrenen Reiter sein, den mitternachtsblauen Kemmer zu zähmen.
Er wendet sich noch einmal zurück, sieht Sam fragend an, der den Daumen hebt. » Der Tunnel ist frei « , ruft er.
Damian hebt die Hand und greift nach der Seilleiter, um sich in den Sattel zu hangeln. Dort setzt er sich zurecht, sieht sich zu Dandalon um und fragt Noctyria, ob die Dracyr bereit sind. Kurz darauf erfolgt ihre stumme Bestätigung. Corena ist eine geübte Schattenreiterin, die ihren Dracer schon Hunderte Male aus der Ferne gelenkt hat, um sie und Dandalon wird er sich vom Start ab nicht mehr kümmern müssen. » Dann los « , sagt er. » Kurs auf die Ostküste, Sandbourne. Wir waren schon einmal dort. «
Wieder bestätigt die Wyvern seinen Befehl. Er spürt, wie sich die Kraft in ihren starken Hinterläufen sammelt. Der Sprung in den Tunnel ist immer ein erregender Moment, wenn Muskeln und Sehnen in dem Dracerleib anfangen zu arbeiten, er mit Macht in seinen Sattel gepresst wird, wenn der Dracer emporschnellt, dann der Ruck, wenn die Flügel ausgebreitet werden und anfangen zu arbeiten, gefolgt von der Phase beinahe schwerelosen Schwebens, ehe Wind und Geschwindigkeit an ihm zu zerren beginnen. Damian liebt das körperliche Fliegen mehr als alles andere auf der Welt. Corena, die Dandalon an seiner Seite durch ihren Geist führt, während ihr eigener Körper sicher in der Burg verbleibt, verabscheut es. Gerade deshalb legt der Dracyrlord Wert darauf, sie bevorzugt für diese Schattenritte einzuteilen. Er ist ein harter, aber kein unvernünftiger Meister. Seine Schattenreiter sind die Basis, auf der sich seine Macht gründet, und deshalb behandelt er sie weniger grausam als alle anderen, die ihm dienen.
Damian will nicht mehr über seinen Vater nachdenken. Lord Harrynkar ist sein Herr und Meister, das allein zählt.
Und dann denkt er gar nicht mehr, sondern klammert sich an Noctyria, fühlt den scharfen Wind in seinem Gesicht, der ihm den Atem aus den Lungen drückt, und an ihm reiÃt wie eine wilde Hundemeute, er keucht und ringt nach Luft und spürt die Freude in seinen Adern explodieren, fühlt sich lebendig und so ganz und gar vollständig, wie es ihm nie gelingt, wenn er auf dem Boden dahinkriecht, kraftlos und unter all den finsteren Schatten seines Seins begraben.
Kapitel 10
Sie fühlte sich so zerschlagen und wund, als hätte sie alleine den groÃen Hof und die Gesindekammern geschrubbt und danach noch die Heuernte eingefahren. Ihre Augenlider waren so schwer wie Blei. Sie tastete nach ihrer Decke und berührte weichen, warmen und fedrig leichten Stoff, nicht die schwere und raue Decke, die sie gewöhnt war. Auch das Kissen unter ihrem Kopf und die Matratze, auf der sie lag, waren dick und weich, kein raschelndes Stroh, kein kratziger Rupfen.
Kay schlug die Augen auf und blickte in einen Betthimmel aus dunklem Stoff. Sie lag auf einem breiten, herrschaftlichen Lager und trug nicht mehr als ihr dünnes Unterkleid am Leib.
Mit einem schwachen Stöhnen setzte sie sich auf und schlang das seidene Laken um den Leib. Wo war sie? Sie konnte sich nicht erinnern, wie sie hierhergekommen war.
Schmerzen. Sie tastete über ihre Schulter und die
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