Dracyr – Das Herz der Schatten
Bertha « , flüsterte sie. » Es tut mir leid, so leid! «
» Schenk dir dein falsches Mitleid « , sagte Bertha ruhig, und ihre Ruhe war noch schrecklicher als ihr vorheriger Zorn. » Du hast deine Seite gewählt, Kay. Wenn diese Burg angegriffen wird und alle, die sich darin aufhalten, sterben, dann wirst du deine Wahl bereuen, aber dann ist es für Reue zu spät. Ich bedauere nur, dass Bradan um dich weinen wird. «
» Bertha « , Kay griff nach ihrem Arm, aber das Mädchen schüttelte sie ab. » Wovon redest du? «
» Das geht dich wohl nichts mehr an « , erwiderte das Hausmädchen müde. Sie griff in ihre Schürzentasche und warf Kay ein zusammengefaltetes Papier hin. » Hier, das sollte ich dir geben. « Sie wandte sich ab. » Ich warne dich. Wenn du den Duke oder Bradan an deinen Liebhaber verkaufst, dann werde ich dich mit meinen eigenen Händen töten. «
Die Tür schlug hinter ihr zu und Kay blieb wie betäubt auf ihrem Bett zurück. Der Brief knisterte in ihren Fingern, die sich taub und kalt anfühlten. Es dauerte einige Atemzüge, bis Kay sich so weit gefasst hatte, dass sie den Kopf senken und das Papier auseinanderfalten konnte.
Kay, las sie, ich muss noch einmal mit dir reden, es ist wichtig. Bitte triff mich übermorgen Nachmittag am Anleger der kleinen Fähre. B.
Sie faltete das Briefchen wieder zusammen und steckte es in eins der Bücher auf ihrem Tisch. Bradan wollte mit ihr reden? Oder war das eine Falle, wollte Bertha sie aus der Burg locken, um sie zu töten?
Sie würde es nicht herausfinden, ohne zu diesem Treffpunkt zu gehen. Aber sie würde nicht unbewaffnet gehen und sie würde auf der Hut sein. Kay rieb sich über die Augen und fühlte Feuchtigkeit. Die Vorwürfe des Hausmädchens, denen auch eine Prise Wahrheit anhaftete, hatten sie tief getroffen und verunsichert. Spielte sie nicht wahrhaftig mit dem Feuer? War sie dabei, die Seiten zu wechseln, unmerklich, unumkehrbar? Wie weit konnte sie gehen, ohne wirklich zur Verräterin zu werden?
Wie lange sie auf der Bettkante gesessen und über diese Fragen nachgedacht hatte, wusste sie nicht zu sagen. Irgendwann brachten ihre eiskalten FüÃe, der schmerzende Rücken und ein nagendes Hungergefühl sie dazu, alle Gedanken beiseitezuschieben und sich dem Tablett auf dem Tisch zu widmen. Sie hob die Deckel von den Schüsseln und lächelte unwillkürlich. Der eiskalte, gleichgültige Mistkerl hatte sich Sorgen um ihr leibliches Wohl gemacht? Wie sonderbarâ¦
Und wieder ein kleiner Schritt weiter in die Korruption, dachte sie. Und biss in ein groÃzügig mit kaltem Braten belegtes Brot.
Kapitel 21
Es war noch früh am Tag, als ihre Tür sich öffnete und Damian eintrat. Kay, die mit einem Buch auf dem Schoà am Fenster saÃ, sah ihn zornig an. » Du platzt einfach so herein? «
Er zuckte die Achseln und schloss die Tür ab. » Warum nicht? Ich hatte dir gesagt, dass ich zu dir komme. «
» Damian⦠« , begann sie und seufzte dann nur. » Du bist schlecht erzogen « , sagte sie resigniert.
Zu ihrer Ãberraschung lachte er. Sie mochte sein Lachen, es war so selten wie eine weiÃe Katze und sein Klang kitzelte so rau und sanft zugleich über ihren Rücken, dass alle Härchen sich aufrichteten. Wenn Damian lachte, dann verschwand alle Dunkelheit aus seiner Miene und wich einem Leuchten, das den Raum zu erhellen schien.
Er beugte sich über sie und küsste sie auf den Scheitel. » Hast du dich ein wenig erholt? «
Sie dankte ihm höflich und klappte das Buch zu.
Er pflückte eine Weinbeere aus der Schale, die auf dem Tisch stand. » Du solltest dich jetzt hinlegen, meine Schöne. «
Kay musterte ihn misstrauisch.
» Hör auf damit « , fuhr sie ihn an. » Wenn du SüÃholz raspelst, finde ich dich noch unerträglicher, als wenn du grob zu mir bist. «
Seine hellen Augen verdunkelten sich um ein paar Schattierungen. » Unerträglich « , wiederholte er. » Wie charmant. « Er nahm eine zweite Beere und schob sie Kay zwischen die Lippen. Sie war so überrumpelt, dass sie es zulieà und auch, dass er sich vorbeugte, die Hände in ihr Haar grub und sie küsste. Schon wieder, dachte sie und legte halbherzig die Hände auf seine Brust, um ihn von sich zu schieben. Aber zuvor erwiderte sie voller Inbrunst seinen Kuss. Warum nur
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