Dracyr – Das Herz der Schatten
Schwerkraft zerrte an ihren Muskeln. Feuer brodelte in ihrer Kehle.
Aufprall. Erde und Steine flogen in die Luft, Krallen zogen tiefe Furchen in den Boden. Atem donnerte durch weit geöffnete Nüstern, durch die seitlichen Atemöffnungen, aus dem Rachen. Funken stoben, setzten trockenes Gras in Brand. Ein brennendes, scharfes Gefühl des Verlustes, der Klaustrophobie. Wieder in die Dunkelheit und Enge des Nestes. Wieder allein. Keine Luft unter den Flügeln, der Gesang des Windes verstummt.
Kay beugte sich vor und erbrach sich. Sie stieà die Hände fort, die sie hielten, kam taumelnd auf die FüÃe. Feuer. Sie atmete Feuer.
» Du musst ihn gehen lassen « , sagte die Stimme geduldig. » Jetzt, Kay. Trenne die Verbindung. «
Sie fauchte und schlug nach ihm. Spuckte ihn an, erwartete, dass er in Flammen aufging.
Er sprang einen Schritt zurück, und sie sah, wie das Dracyrfeuer in seinen Augen erwachte. » Kay Donne « , sagte er, und es klang atemlos. » Ich wusste es. Ich habe es gewusst. « Er lachte und tänzelte rückwärts. Stoben da Funken um seine Nasenlöcher? Leuchteten Flammen aus seinem lachend geöffneten Mund?
Kay griff tief in ihr Inneres, verflocht ihren Geist fest mit dem des Dracer und griff Damian an.
Sie raubt ihm den Atem. Er hält sie, während sie ihren ersten Gedankenflug unternimmt, spürt ihr Zittern, die Kraft, die sie aufrecht hält, ihren unbändigen Willen, ihre Stärke.
Er fühlt sich fremd in seinem eigenen Körper, seinem eigenen Geist. Sie verwirrt ihn, wie noch nie ein Mensch ihn verwirrt hat. Er kann seine Gefühle nicht erklären. Was ist es, das ihn zu ihr hinzieht? Er sieht die Distanz in ihrem Blick, die Abwehr in ihrer Haltung, wenn er sich ihr nähert. Sie fürchtet ihn und sie hasst ihn.
Aber da ist auch Wärme, Zuneigung, das Gefühl, willkommen zu sein. Er weià nicht damit umzugehen. Wie zeigt man Zuneigung, ohne den anderen zu verletzen?
Der mitternachtsblaue Dracer kehrt zurück, und ihr schlanker Körper, der sich gegen ihn drängt, zittert vor Anstrengung. Er legt seine Arme um sie, hält sie aufrecht. Sie muss lernen, dies bei vollem Bewusstsein und stehend zu bewältigen. Er traut es ihr zu, er weiÃ, dass sie es schaffen wird. Nur so kann sie eine ebenbürtige Gefährtin sein. Seine Gefährtin. Sie wird an seiner Seite reiten, sie werden gemeinsam Feuer, Tod und Verderben über jene bringen, die sich seinem Vater widersetzen. Er wäre nicht mehr allein.
Der Dracer landet und sie sackt zusammen. Ihr Gesicht ist so bleich wie der Mond und schweiÃbedeckt, ihre Hände sind kalt, die Lippen blass, tiefe Schatten liegen unter ihren geschlossenen Augen. Wimpern wie Krähenflügel. SchweiÃverklebtes nachtschwarzes Haar klebt in kleinen Kringeln und langen Strähnen an Stirn, Wangen und Hals. Er will sie küssenâ woher kommt nur dieser seltsame Impuls, immer und immer wieder, sie küssen zu wollen? Diese sanften, geschwungenen Lippen zu berühren, ihren Geschmack einzusaugen, dem warmen Schauder nachzuspüren, der ihn vom Kopf bis zu den FüÃen durchläuftâ¦
Sie krümmt sich qualvoll, würgt und stöhnt. Damian hält sie fest. Er erinnert sich. Sein Vater hat ihn nicht gehalten, er hat ihn scharf zurechtgewiesen, ihm befohlen, sich zusammenzureiÃen, ihn einen Schwächling geschimpft, eine Missgeburt, etwas, das zu wertlos ist, um ihm auch nur einen Tritt zu verpassenâ und dann hat er die Peitsche aus seinem Gürtel gezogen. Der Schmerz hat ihn zur Besinnung gebracht und ihm geholfen, die Nachwirkungen des ersten Geistfluges abzuschütteln. Sollte er Kay nicht ebenfalls auf diese Weise helfen?
Sie muss zuerst die Verbindung lösen. Der Dracer beobachtet ihn und Kay, scharf, misstrauisch. Damian ist zu erschöpft nach dem Einsatz, zu müde und zu schwach, um einen wütenden Dracer davon abzuhalten, ihn zu rösten oder in Stücke zu reiÃen, weil Damian seine Reiterin schlägt. Also muss Kay sich von ihm lösen und ihn zurück in den Pferch schicken.
Sie hört seine Anweisung, aber natürlich tut sie nicht, was er ihr befiehlt. Sie richtet sich mühsam auf und in ihren Augen leuchtet das Dracyrfeuer. Sie faucht, schlägt nach ihm.
Er denkt nicht, greift hinaus, findet Verbindung. Einer der Zuchtdracyr schlieÃt seine Geistklauen um ihn und verschmilzt mit Damian. Namenlos, denn
Weitere Kostenlose Bücher