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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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Schmerzgrenze hinaus. Seine Nasenflügel beben, er riecht den Staub auf dem Boden, die Lauge, in der die Bettwäsche gewaschen wurde, das gärende Obst auf dem Tisch, einen trocknenden Kanten Brot, Mäusedreck, Holz, Asche und Glut, seinen eigenen Schweiß und vor allem… Kay.
    Mit einem heftigen Gefühl, das er nicht kennt, das ihm niemals zuvor begegnet ist, zieht er sie fest an sich und genießt ihre Wärme, ihre Weichheit, die samtige Berührung, wo Haut auf Haut trifft, das seidenweiche Kitzeln ihres Haars, ihre langen schlanken Glieder, die sich um ihn schlingen. Sie riecht wie Sommer und frisches Gras, nach Wind und Blüten, nach frischem Brot und Puder, nach dem weichen Fell einer jungen Katze und den dunklen Tönen eines Dracyrnests. Er badet in ihrem Duft, wiegt sich in ihrem Geruch wie in der Brandung, schwebt in ihrem Aroma wie in einer Luftströmung, die ihn trägt, immer höher, immer höher.
    Das fremde Gefühl ist weich und scharfkantig zugleich. Es sitzt in seiner Brust und in seinem Magen, zieht in seinen Gliedern, erhitzt das Mark seiner Knochen und lässt ihn gleichzeitig frösteln und schwitzen. Es schmerzt, aber er möchte nicht, dass dieser Schmerz jemals endet. Er möchte sich hineinfallen lassen und in seiner dunklen, roten Tiefe sterben.
    Sie regt sich, murmelt etwas, dreht sich in seinen Armen. Nun liegt sie so, dass ihr Rücken seine Brust berührt. Ihre Körper passen ineinander wie Hand und Handschuh, Schale und Löffel. Er atmet ein und zieht sie wieder eng an sich. Der Schlaf ist so weit entfernt wie der Mond, aber in dieser Nacht ist er darüber nicht traurig. Er liegt und atmet und vergisst die Welt, die so dunkel und voller Trauer und Schmerz ist. Keine Träume mehr, nicht heute Nacht. Keine Tränen mehr, die auf seinen Wangen trocknen, ohne dass er sie geweint hat. Keine Erinnerungen, die ihm den Rücken zukehren, sobald er sie ansieht. Einfach nur daliegen und einen anderen atmenden, friedlichen Körper umarmen.
    Würde diese Nacht niemals enden, wäre er glücklich.

    Der Morgen naht viel zu schnell. Als die ersten Vogelrufe ertönen, löst Damian sich aus der Umarmung, vorsichtig, behutsam, er will sie nicht aufwecken. Er deckt Kay zu und bleibt einige Atemzüge lang neben dem Bett stehen, um ihr zuzusehen, wie sie atmet. Ihre Augenlider zucken, sie bewegt die Lippen, ihre Füße rascheln über das Leinen des Bettzeugs. Sie träumt.
    Kurz zögert er, ob er sie wecken soll. Träume sind etwas Schreckliches, Grausames, Bedrohliches. In Träumen kommt der Dunkle und tötet, was du liebst, löscht alles Licht, fügt dir Schmerzen zu, bis du weinst und um Gnade flehst. Niemand sollte träumen müssen, nicht so.
    Er neigt sich über sie, aber während seine Hand schon ihre Schulter berührt, sie fassen und schütteln will, glätten sich Kays Gesichtszüge, entspannt sich der weiche Mund, verschwindet die Falte zwischen ihren Brauen. Sie liegt still, atmet ruhig. Der Traum ist vorübergezogen und hat tiefen Schlaf zurückgelassen. Er möchte sich wieder neben sie legen, sie in seine Arme ziehen, den Kopf an ihrer Schulter bergen und ihren Schlummer mit ihr teilen, aber er weiß, das ihm dies nicht vergönnt sein würde.
    Er zieht seine Jacke und die Stiefel an und schließt leise die Tür hinter sich. Das Hausmädchen, das ihn grüßt, nimmt er nicht zur Kenntnis. Seine Gedanken kreisen über den Wipfeln der Berge, tanzen mit Noctyria und Gormydas den zeitlosen Tanz, während Kays Augen ihn aus Gormydas’ Gesicht anblicken.

Kapitel 22
    Er vernimmt den stummen Befehl, während er sich in seinem Zimmer umkleidet. Der Ruf ist zwingend und lässt ihm keine Möglichkeit, sich zu entziehen und nicht unverzüglich zu gehorchen.
    Wie immer, wenn er das Turmzimmer seines Vaters betritt, fällt ihm als Erstes die absolute Stille und Dunkelheit auf, die Illusion von völliger Abgeschiedenheit. Lord Harrynkar ruht auf seinem Lager in der Mitte des runden Gemaches, umgeben von Spiegeln und großen, glatt geschliffenen Juwelen, in denen er Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft zu sehen vermag. Er verlässt das Turmgemach nur selten, um in den Pferch hinabzusteigen, einen Gefangenen zu befragen oder in eigener Person eine Mission seiner Dracyrreiter zu begleiten.
    Trotz der Fenster, die in alle Himmelsrichtungen zeigen, ist es dunkel. Die

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