Dragon Kiss (epub)
nun doch zusammenzucken. Sie hasste diesen Namen. »Du schlägst Männern die Köpfe ab und badest in ihrem Blut.«
»Das tue ich nicht!« Sie wandte ihren Blick wieder dem Drachen zu. »Wenn man einen Mann köpft, spritzt Blut. Aber ich bade in nichts anderem als Wasser.«
»Wenn du es sagst.«
Durch seine Gelassenheit fühlte sie sich in die Defensive gedrängt. »Und ich schlage nicht einfach irgendwelchen Männern den Kopf ab. Nur den Feinden der Dunklen Ebenen. Den Männern meines Bruders.«
»Ach ja. Lorcan. Der Schlächter von Garbhán. Ich würde sagen, wenn du einfach ihm den Kopf abschlagen würdest, wäre der Krieg vorbei.«
Annwyl knirschte mit den Zähnen. Und zwar nicht vor Schmerzen in ihrer Wunde. »Glaubst du, auf die Idee wäre ich noch nicht gekommen? Glaubst du, wenn ich nah genug an den kleinen, nichtswürdigen Wurm herankommen würde, würde ich ihn nicht töten, wenn ich die Chance dazu hätte?« Der Drache antwortete nicht, und jetzt wurde sie richtig wütend.
»Also? Glaubst du das ?«
Der Drache blinzelte bei ihrem plötzlichen Ausbruch. »Wirst du immer so wütend, wenn man deinen Bruder erwähnt?«
»Nein!« , bellte sie. Dann: »Ja!« Annwyl seufzte. »Manchmal.« Der Drache lachte leise, und sie bekämpfte den Drang zu schreien. Und weiterzuschreien. Sein Lachen klang nicht unangenehm, aber einen Drachen anzumachen … nun, vielleicht wurde sie jetzt wirklich vollends verrückt.
Der Drache kam langsam hinter ihr hervor und schob mehr von seinem riesigen Körper in den Raum. Er setzte sich zu ihrer Rechten hin, aber sie konnte ihn nur halb sehen, ohne den Kopf zu drehen. Der Rest blieb außerhalb der Nische. Sie fragte sich, wie er wohl in seiner Gesamtheit aussehen mochte.
»Warum genau bin ich nicht …«
»Tot?«
Sie nickte.
»Das wärst du, wenn ich dich nicht gefunden hätte.«
»Und warum hast du mich gerettet?«
»Ich weiß nicht. Du … faszinierst mich.«
Annwyl runzelte die Stirn. »Was?« Verglichen mit einem Drachen war sie gar nichts. Nur ein Mensch.
»Deine Tapferkeit. Sie fasziniert mich. Als du mich sahst, versuchtest du nicht zu fliehen wie diese Männer. Du bliebst standhaft.«
»Ich war schon fast tot, was hätte es also genützt?«
»Das spielt keine Rolle. Die Furcht vor Drachen betrifft Junge und Alte. Die Sterbenden und die Starken. Du hättest um dein Leben rennen müssen oder auf die Knie fallen und um Gnade flehen.«
»Ich falle für keinen Mann auf die Knie«, blaffte sie ohne nachzudenken. Er brach in Lachen aus. Ein tiefer, angenehmer Laut. Wie seine Stimme, wenn er sprach. Ein Jammer, dass sie einem Monster gehörte.
»Ich werde es mir merken.« Er lachte leise, drehte sich vorsichtig um, wobei sein Kopf ihr beängstigend nahe kam, und verließ den Raum. Sie sah zu, wie sein Schwanz in den Raum schwang und seine scharfe Spitze die Steinwände streifte. Sie versuchte, nicht in Panik zu geraten, als ihr bewusst wurde, dass dieser Schwanz allein so lang war wie mindestens zwei der größten Männer ihrer Truppen. »Ich werde jemanden schicken, der dir beim Aufstehen hilft und dir zu Essen gibt.«
»Einen Menschen?«
»Was?« Der Drache knallte mit seinem großen Kopf gegen die Decke.
Annwyl ließ sich wieder zurück aufs Bett sinken. Das war nur ein Traum gewesen. »Nichts. Ich bin müde.«
»Dann schläfst du am besten ein bisschen.«
»Warte!« Er hielt inne und sah über die Schulter zu ihr zurück. Annwyl holte tief Luft. »Danke, dass du mich gerettet hast.«
»Gern geschehen, Schöne.« Er ging weiter. »Aber mach es dir nicht zu gemütlich«, warf er beiläufig zurück. »Wer weiß, was ich von dir als Rückzahlung für meine Freundlichkeit verlangen werde.«
Annwyl lehnte sich in ihre weichen Kissen zurück und fühlte einen Schauder ihren Körper durchlaufen. Sie wünschte nur, sie hätte sagen können, dass sie aus Furcht oder zumindest Ekel schauderte. Was ihr wirklich Sorge machte, war, dass es sich nach keinem von beidem anfühlte.
Fearghus rieb sich die frische Beule an seinem Kopf. Er hatte vom Zorn von Annwyl der Blutrünstigen gehört, aber er hatte keine Ahnung gehabt, wie überwältigend dieser sein konnte. Ihr wütendes Gebrüll war verdammt noch mal fast so mächtig wie das Brüllen eines Drachen.
Kein Wunder, dass sie ihren Bruder noch nicht besiegt hatte. Er jagte ihr Angst ein. Er erkannte es an ihrer übergroßen Wut bei der bloßen Erwähnung dieses Mannes.
Wenn sie Lorcan jetzt gegenübertrat,
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