Dragon Touch
wild, grimmig und brutal, dass niemand in ihre Nähe
kommen konnte. Das gefiel ihr.
Dagmar war sich wohl bewusst, dass es für eine Frau
ungewöhnlich war, für die Hunde zuständig zu sein, die ein Warlord wie ihr
Vater im Kampf benutzte, aber er hatte die Augen nicht davor verschließen
können, wie gut sie mit Hunden umgehen konnte. Aber vor allem konnte er die
Tatsache nicht ignorieren, dass sie jeden einzelnen Kampfhund innerhalb seines
Gebietes darauf trainiert hatte, nur auf ihre Stimme, ihren Befehl zu reagieren.
Es war einen Monat vor ihrem zehnten Geburtstag gewesen, als sie ihren ersten
Sieg ausgeheckt, geplant und durchgeführt hatte. Sie erinnerte sich gut daran,
wie sie vor ihrem Vater gestanden hatte und sämtliche bösartigen, unbändigen
Kampfhunde in Habtachtstellung vor, neben und hinter ihr, die nur auf ihren
Befehl gewartet hatten. Sie hatte mit zusammengekniffenen Augen zu ihrem Vater
hinaufgeblinzelt, denn schon damals war sie kurzsichtig gewesen, und hatte ihm
leise erklärt: »Es tut mir leid, dass dein Hundetrainer seinen Arm verloren
hat, Vater. Vielleicht brauchst du jemanden, der ein bisschen besser mit diesen
Tieren zurechtkommt, eher mit Freundlichkeit als mit Brutalität.«
»Du bist noch ein kleines Mädchen«, hatte er zurückgeknurrt
und dabei mit dem zerfetzten, blutgetränkten Arm seines Ausbilders gestikuliert.
»Was verstehst du schon von Krieg und Kampf?«
»Gar nichts«, hatte sie fast geflüstert, die Augen niedergeschlagen.
»Aber ich kenne mich mit Hunden aus.«
»Dann zeig es mir. Zeig mir, was du kannst.«
Sie hatte den Blick gehoben, ihrem Vater in die Augen
gesehen und auf einen Hund gedeutet, dann auf einen der Wächter. Nur einer der
achtzehn Hunde stürmte los und ging auf den Mann los, der sie einmal als »hässliches
Mädchen« bezeichnet hatte.
Ihr Vater hatte dem Hund dabei zugesehen, wie er tat, wozu
er ausgebildet war, und sich nicht im Geringsten um die Hilfeschreie des
Wächters gekümmert.
»Sehr gut«, hatte er schließlich gesagt, aber sie hatte
gewusst, dass die Prüfung noch nicht vorüber war.
»Danke.«
»Jetzt ruf ihn zurück.«
Sie hatten beide gewusst, dass das die wahre Herausforderung
war, denn die Kampfhunde der Reinholdts wurden oft unkontrollierbar, wenn sie
im Blutrausch waren. Viele von ihnen wurden am Ende der Schlacht von ihren
Hundeführern getötet.
Also hatte Dagmar, immer noch ohne den Blick von dem ihres
Vaters abzuwenden, ihre Finger gehoben, kurz gepfiffen und eine Geste mit der
Hand gemacht. Der Hund hatte seine schreiende, weinende und blutende Beute auf
der Stelle losgelassen, war zurück an ihre Seite getrottet und hatte sich auf
den Platz gesetzt, den er verlassen hatte. Mit hängender Zunge, Blut an der
Schnauze, hatte er Dagmar angesehen und auf den nächsten Befehl gewartet.
Damals hatte ihr Vater nur gegrunzt und war weggegangen,
den Arm seines Ausbilders mitsamt einer Blutspur hinter sich herziehend. Doch
bis ihr sechzehnter Winter vergangen war, hatte Dagmar die volle Kontrolle über
die Hundezwinger und sämtliche Hunde – Arbeitshunde und Haustiere – in
sämtlichen Ländereien ihres Vaters innegehabt.
Als Knut abrupt stehen blieb, tat sie es ihm nach und
wartete, bis ein Kelch an ihrem Kopf vorbeiflog und an die Wand neben ihr
krachte. Mal wieder ein Streit zwischen einem ihrer Brüder und seiner Frau.
Ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, stieg sie
über den auf dem Boden rollenden zerbeulten Kelch und ging auf die Haupthalle
zu. Ihr Vater saß an der Haupttafel; mehrere ihrer Brüder saßen mit ihren
Frauen um ihn herum, doch der Stuhl neben ihm war frei, denn das war Dagmars
Stuhl. Sie wusste, dass das ihre Schwägerin Kikka ärgerte, die sie über den
Tisch hinweg böse anstarrte.
Während sie hereinkam und sich setzte, schaufelte ihr
Vater sich Essen in den Mund, als fürchte er, der zähe Haferbrei könnte
versuchen zu fliehen. Wie immer ignorierte sie den Anblick ihres Vaters beim
Essen.
In ihrer Welt gab es schlimmere Dinge als schlechte
Tischmanieren.
»Vater.«
Ihr Vater grunzte. Er war noch nie besonders gesprächig
gewesen, aber seiner einzigen Tochter hatte er besonders wenig zu sagen. Nach
zwölf strammen Söhnen von drei verschiedenen Ehefrauen – zwei waren davongelaufen,
und Dagmars Mutter war nach der Geburt gestorben – hatte er nicht mit einer
Tochter gerechnet. Vor allem hatte er nicht mit einer Tochter wie ihr
gerechnet. Wenn er betrunken war, beklagte er oft die
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