Drake (German Edition)
sollten glauben, dass Pearl in einer kosmischen Katastrophe untergegangen war. Unsere Vorfahren konnten zu Recht darauf hoffen, dass ihnen diese Täuschung gelingen würde, denn die Cobo Ya Ya sind ein direkt denkendes Volk, um nicht zu sagen, sie sind denkfaul, was Taktik und Verschleierung betrifft. Ein großer Fehler, der ihnen irgendwann einmal zum Verhängnis werden wird. Sie verlassen sich zu sehr auf die Wirksamkeit und den Schrecken ihrer Sammler. Wenn sie in ferner Zukunft einmal auf eine weniger streng moralisch denkende Spezies treffen werden, dann ist ihr Schicksal besiegelt. Unsere Vorfahren beziehungsweise wir, ihre Nachkommen, haben sich dieser Bestimmung entzogen. Ich darf hinzufügen, dass wir heutzutage eine etwas veränderte Moralvorstellung haben. Nicht wenige von uns plagt ein schlechtes Gewissen gegenüber den übrigen Völkern in der Galaxis, nicht ein für allemal dem Treiben der Cobo Ya Ya ein Ende gesetzt zu haben. Besonders, weil unser Volk eine Mitschuld an der Entwicklung dieser martialischen und gewissenlosen Rasse trägt. Beim Sonnenlicht gesehen, ist dies erstaunlich fremd.«
»Wie sehen denn die Cobo Ya Ya aus?«, fragte Werfel.
Leila trat einen Schritt zurück und wedelte mit der rechten Hand. Ihre Geste war schwer zu deuten, trotzdem meinte Werfel, darin eine gewisse Ungeduld zu erspüren.
»Ihr Wunsch ist verständlich«, meinte sie schließlich. »Meinetwegen. Gut. Auch wenn wir Dringenderes zu besprechen hätten. Hier ist eine Darstellung eines männlichen Cobo Ya Ya.«
Obwohl noch nichts zu sehen war, traten alle unwillkürlich einen Schritt zurück. Und noch einen Schritt, als eine Gestalt aus dem Nichts materialisierte, die zwar humanoid aussah, aber mit einem Menschen nicht viel gemein hatte. Über zwei Meter groß, blickte ein furchterregendes Wesen in die Runde, das dem Titel eines ›Mister Universum‹ alle Ehre gemacht hätte. Nur mit einer kurzen Hose bekleidet, zeigte das Abbild hauptsächlich Muskelstränge, die an manchen Stellen noch nicht einmal von Haut umgeben schienen.
»Vergessen Sie bitte nicht, dass die Abbildung einige Jahrtausende alt ist«, sagte Leila. »Wir wissen nicht, wie ein Cobo Ya Ya heute aussieht. Jedes Mal, wenn Drake wieder aus der selbst geschaffenen Zeitanomalie auftaucht, hat sich das Idealbild eines Cobo Ya Ya verändert. Was Sie hier sehen, war also vor langer Zeit aktuell. Im Vergleich zu der Spezies, die unsere Vorfahren vor einer Million Jahren missionieren wollten, ist diese Version hier ein absolutes Kunstprodukt. Zum Beispiel die Augen. Sie sind nicht echt. Sie bestehen aus hochempfindlichen Sensoren, die das ganze Lichtspektrum abtasten. Bei Kampfeinsätzen werden zusätzliche Augen über ein unsichtbares Stirnband zugeschaltet. Ähnliche sensible Eigenschaften gelten für Nase, Ohren und Geschmacksnerven. Der Magen verdaut problemlos alle organischen Stoffe bis hin zu gewissen reinen Mineralien. Über die Muskelkraft brauche ich Ihnen nicht viel zu erklären. Das, was Sie sehen entspricht der Wirkung. Und noch viel mehr: In den Muskeln ist ein plastisches Exoskelett eingearbeitet, das die natürlichen Sehnen unterstützt. Ein durchschnittlicher männlicher Cobo Ya Ya kann ohne Schwierigkeiten Lasten bis zu einer halben Tonne tragen. Im Dauerlauf erreicht er Geschwindigkeiten über 60 Stundenkilometer und er hält diese auch für Stunden durch. Sein Gehirn ist von einer hohen Speicherkapazität und wird von externen Rechnern unterstützt. Die Nervenbahnen leiten die elektrischen Impulse nahe der Schallgeschwindigkeit und seine Reaktionszeit liegt bei einer 10 000tel Sekunde. Die Hautfarbe schimmert aus naheliegenden Gründen in einem metallischen Blau. In die Haarspitzen sind elektrische Sensoren eingearbeitet, die auf den Luftdruck reagieren und ihn dem Gehirn übermitteln. Dadurch – und in Kombination mit dem optischen System – können die Cobo Ya Ya sich in absoluter Dunkelheit problemlos orientieren. Diese Eigenschaften dienen hauptsächlich dem persönlichen Status. Ausgelebt werden sie in sportlichen Wettkämpfen und Spielen. Die Cobo Ya Ya sind ganz verrückt nach solchen Veranstaltungen.«
Leila machte eine Pause und beobachtete amüsiert die Reaktionen in den Gesichtern. »Das ist natürlich nicht alles. Falls Sie es wünschen, kann ich dem Abbild die Bekleidung entfernen und Ihnen einiges über die Eigenschaften der Geschlechtsorgane berichten.«
»Ich glaube, das ist nicht nötig«, entgegnete Werfel schnell.
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