Drake (German Edition)
Licht, eine andere Gravitation, ein anderer Geruch, ein anderes Klima. Kurzum: Bartholomäus unterschied sich in tausend Kleinigkeiten von der Erde und gerade diese Kleinigkeiten brachten seine Gefühlswelt ins Wanken.
Leila trug mit ihrem Aussehen und ihren unergründlichen Aussagen ein Weiteres zu seiner Beklommenheit bei. Ihre ungezwungene Selbstverständlichkeit, mit der sie über gewaltige Zeitläufe, beschleunigte Sonnensysteme oder die angedeutete Vernichtung eines ganzen Volkes sprach, flößte ihm Furcht ein. Gleichzeitig gestand sie, von all dem keine Ahnung zu haben und ihr Wissen aus zugeschalteten Speicherblocks zu beziehen.
Während ihrer Ausführungen war ihm mehrmals der Gedanke gekommen, einem Schwindel aufzusitzen oder von Halluzinationen heimgesucht zu werden. Aber die Demonstrationen ihrer Fähigkeiten waren ungeheuer beeindruckend gewesen. Abgesehen davon blieb ihm und den anderen gar nichts anderes übrig, als sich in Leilas Hände zu begeben. Sie wusste über alles Bescheid und hatte zu jeder Frage eine Antwort bereit – oder gar eine Lösung.
So gesehen erschien es als ein Glücksfall, Pearl aufgesucht zu haben. Hätten sie dies nicht getan, wäre für die Erde eine Katastrophe angestanden, von dem eigenen Schicksal ganz zu schweigen.
Leila hatte sie zum Aufbruch gedrängt. Sie sollten so rasch wie möglich zur Timeless zurückkehren und das Schiff startbereit machen.
Sie selbst müsste noch einige Dinge klären und würde dann bald zu ihnen stoßen. Es klang wie: »Gehet hin in Frieden und fürchtet euch nicht!«
Khartum startete mit den Mädchen in der ersten Maschine.
Verotroicx lehnte sich auf dem Pilotensitz der zweiten Maschine zurück und sah dem davon schwindendem Shuttle nach.
Vic kam nach vorne und kletterte auf den Sitz des Co-Piloten.
»Das ist doch alles Kacke!«, schimpfte sie.
»Was meinst du damit?«
»Diese Alien-Geschichte. Seit Hunderten von Jahren erzählt man uns in Büchern, Three-Dees oder SF-Visions, dass Außerirdische schlitzäugige Monster, Echsen, organische Roboter oder sonst etwas sein müssen, und dann kommt so ein spindeldürres Kuhauge daher.«
Er lächelte. »Spinnen hast du vergessen.«
Sie überhörte seinen Einwand. »Ein menschliches Kuhauge. Das ist doch nicht normal. Okay, gut. Sie hat einige Tricks drauf, aber trotzdem, da muss doch mehr Dramatik rein. Selbst diese Cobo Ya Ya sind von menschlicher Gestalt, auch wenn sie wie schlanke Menschenmaschinen aussehen. Da stimmt doch irgendetwas nicht. Gibt es denn nur Menschen oder intelligente Affen in der Galaxis?«
»Ich würde an deiner Stelle nicht so laut denken. Ich wette, irgendwie hört Leila alles mit.«
»Na und, wenn schon. Wir werden doch permanent abgehört. Nicht nur in einem Raumschiff, sondern schon seit frühester Kindheit. Kameras im Kinderzimmer, Kameras in der Schule, Universität, auf den Straßen, einfach überall. Erinnerst du dich noch an diese verrückte Verordnung vor ein paar Jahren, dass man bei einer Bewerbung einen lückenlosen, notariell beglaubigten Lebenslauf in Form von Three-Dee-Aufzeichnungen öffentlicher Scans vorlegen sollte, einschließlich detaillierter Nahaufnahmen des Sexlebens, um die eigene Normalität zu beweisen? Das kann Leila auch haben, falls sie sie nicht schon kennt. Sie schnüffelt ja gerne in fremden Archiven herum.«
Verotroicx war verblüfft. Solch eine leidenschaftliche Rede hatte er von Vic bisher noch nie vernommen.
»Na gut, wenn du meinst«, meinte er ernst. »Aber die Tricks von Leila sind nicht von Pappe, und wenn ich ganz ehrlich bin, dann muss ich sagen, dass mir das ›Kuhauge‹ unheimlicher erscheint als ein organischer Roboter. Auf jeden Fall befinden wir uns in ihrer Hand, denn sie behauptet, uns und der Erde helfen zu wollen. Wie sie das schaffen will, ist mir ein Rätsel.«
»Netzwerke«, mischte sich Werfel vom hinteren Sitz her ein. »Baldwin Adams, ein Bio-Physiker des letzten Jahrhunderts hat die Theorie aufgestellt, dass intelligente Lebewesen zwingend notwendig menschenähnliche Formen aufweisen müssen. Die Bildung von Netzwerken ist ein Lebensprinzip des Kosmos und der menschliche Körper bietet – so wie wir ihn kennen – die perfekte Voraussetzung zur Verknüpfung von lebenswichtigen Funktionen verschiedener Netzwerke. Stoffwechsel, Temperatur, Ernährung, aber auch so rudimentäre Tätigkeiten wie Jagd, Schutz oder Koordinieren von Gemeinschaften. Letzteres gehört schon zu übergeordneten Netzwerken.
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