Drake (German Edition)
kommt keiner in das Cargo …«
Er hatte kaum die letzten Worte ausgesprochen, als die ersten schon zu den Unterkünften liefen, um die Schutzanzüge zu holen. Wenig später hatten es alle begriffen: ohne Anzug keine Rettung. Nach einer Minute war der Platz vor den Hangars leer. Selbst Sternberg war nirgendwo zu sehen.
Neben ihm glitten die Tore des Hangars auf ihren provisorischen Rollen zur Seite. Vic kam herausgelaufen. In ihrer Hand hielt sie einen Nerv, wie die elektrischen Lähmungswaffen in der Umgangssprache bezeichnet wurden.
»Ich habe vorhin nur mal kurz auf den Auslöser gedrückt, um sie abzuschrecken«, entschuldigte sie sich. »Ein geiles Geräusch macht dieses Ding.« Sehr begeistert sah sie allerdings dabei nicht aus.
»Schon gut. Hör zu, wir haben nicht viel Zeit. In ein paar Minuten stehen die alle wieder hier auf der Matte. Wir brauchen eine Absperrung.« Er sah sich kurz um. »Da vorne neben der Cafeteria. Benutze Liegestühle dafür. Einen Tisch mit Stuhl. Dort setzt du dich hin. Wir brauchen eine Liste von all den Personen, die sich auf dem Planeten aufhalten. Teile Gruppen von achtzehn Personen ein. Frauen, die schwanger sind, kommen in die erste Gruppe …«
»Schwangere? Wir haben schwangere Frauen auf der Unit Eleven?«
»Bestimmt! Oder vielleicht. Ist auch egal, Hauptsache, wir präsentieren etwas Ähnliches wie ein Notfallplan. Wir brauchen Aufschub, um die Leute zu beschäftigen, damit ihnen die Lage bewusst wird. Was wir nicht brauchen, ist eine pöbelnde Menge, die sich um die ersten Plätze in den Cargos prügelt. Wenn die beiden Cargos, die wir hier in den Hangars haben, erst einmal unterwegs sind, können wir uns Gedanken machen, wie es weitergeht. Keine Angst, ich helfe dir dabei.«
Aus den Augenwinkeln sah er, wie die ersten Boote mit Ausflüglern auf dem Strand aufliefen. Ohne sich weiter um die Schiffe zu kümmern, rannten die Ankömmlinge zu ihren Unterkünften. ›Protec‹ war das Zauberwort. Ohne Schutzanzug keine Rückkehr zur Unit Eleven. Verotroicx schüttelte verständnislos den Kopf. Wie tief musste die Furcht vor dem Unbekannten sitzen, dass man jegliche Vernunft oder logisches Denken vergessen ließ. Wahrscheinlich nicht tief genug, schließlich war man allzu sorglos auf Blue Boy gelandet und hatte bereitwillig alle Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen.
Katrin Gauthier kam aus dem Hangar und zeigte auf das Meer hinaus, wo noch mehr kleine Boote sichtbar wurden, die in schneller Fahrt näher kamen.
»Da kommen noch mehr, die ihre Protex daheim gelassen haben«, stellte sie sarkastisch fest. »Wahrscheinlich stehen alle in zehn Minuten in ihren Schutzanzügen hier und schwitzen sich zu Tode. Dann haben wir keine Probleme mehr.«
»Du hast recht«, sagte er und aktivierte seinen Frame. »Es wird Zeit, etwas Ordnung zu schaffen!«
Er aktivierte den Notrufkanal. » Verotroicx FORCE an alle! Die ersten beiden Gruppen werden ausschließlich aus weiblichen Passagieren bestehen. Weiterhin benötigen wir am Landeplatz einige Leute, die noch halbwegs vernünftig geblieben sind und uns bei der Evakuierung helfen können. Alle anderen stellen sich bitte hinter der Absperrung an und warten, bis sie einer Gruppe zugeteilt werden, die mit den nächsten Cargos ausgeflogen werden. Diese Meldung wird automatisch wiederholt!«
»Na, ich bin einmal gespannt, ob du bei denen mit psychologischen Tricks sehr weit kommst«, meinte Katrin süffisant.
»Wir werden es ja sehen«, sagte er nachdenklich und trat zur Seite, als in den Hangars die Triebwerke der Cargos anliefen. »Hilf Vic mit der Absperrung, damit wir optisch etwas bieten können. Entweder die Leute sind vernünftig und fügen sich unseren Anordnungen oder …« Er machte eine Pause. »… oder ich weiß dann auch nicht weiter. Ich brauche erst einmal mehr Informationen über diesen verdammten Mond, der da angeblich so plötzlich aufgetaucht ist. Vielleicht lachen die sich da oben in der SCIENCE halb krank, weil sie uns so schön auf Trab gebracht haben.« Er glaubte zwar nicht daran, aber die Vorstellung an eine überzogene oder gar an eine falsche Darstellung der Lage wirkte beruhigend.
Mulholland. Er brauchte Mulholland.
Wie auf Kommando erschien sie auf seinem Frame, allerdings nicht, weil er sie kontaktiert hatte, sondern weil sie auf dem Notrufkanal eine allgemeine Beschreibung der Lage sendete.
Im Grunde genommen verkündete sie nichts Neues.
Mond.
Gefahr einer gigantischen und globalen Flutwelle.
22
Weitere Kostenlose Bücher