Dramatische Werke
das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen. – Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer der Kunst und Cabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist, daß nur Empfindung Empfindung weckt, so müßte, däucht mich, der politische Held in eben dem Grade kein Subject für die Bühne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muß, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzuknüpfen – den Mann durch den staatsklugen Kopf zu verwickeln – und von der erfindrischen Intrigue Situationen für die Menschheit zu entlehnen – das stand bei mir. Mein Verhältniß mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter, als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu einer poetischen Tugend geworden.
Personen des Stücks:
Andreas Doria , Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren. Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.
Gianettino Doria , Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von 26 Jahren. Rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz. Die Bildung zerrissen.
(Beide Doria tragen Scharlach)
Fiesco , Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker, blühend-schöner Mann von 23 Jahren – stolz mit Anstand – freundlich mit Majestät – höflich-geschmeidig und eben so tückisch.
(Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)
Verrina , verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und düster. Tiefe Züge.
Bourgognino , Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und natürlich.
Calcagno , Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung gefällig und unternehmend.
Sacco , Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.
Lomellino , Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.
Zenturione , Zibo , Asserato , Mißvergnügte.
Romano , Maler. Frei, einfach und stolz.
Muley Hassan , Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.
Deutscher der herzoglichen Leibwache . Ehrliche Einfalt. Handfeste Tapferkeit.
Drei aufrührerische Bürger .
Leonore , Fiesco's Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blaß und schmächtig. Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.
Julia, Gräfin Wittwe Imperiali , Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren. Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.
Bertha , Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.
Rosa , Arabella , Leonorens Kammermädchen.
Mehrere Nobili , Bürger , Deutsche , Soldaten , Bediente , Diebe .
Der Schauplatz Genua. – Die Zeit 1547.
Erster Aufzug
Saal bei Fiesco. Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.
Erster Auftritt.
Leonore maskiert, Rosa , Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.
Leonore (reißt die Maske ab).
Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.
Arabella.
Gnädige Frau –
Leonore (aufstehend).
Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.
Rosa.
Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war – eine Galanterie –
Leonore.
Galanterie? – und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken , versunken saß, als wär' um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie? – gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.
Rosa.
Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen Cicisbeo Profit machen.
Leonore.
Verlieren? – ein kleiner aussetzender Puls der
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