Dramatische Werke
in deinem Alter?
Daniel.
Was, Herr? Fried' und Ruhe im Alter, und ein Todtschläger?
Franz.
Antwort' auf meine Frage!
Daniel.
Meine grauen Haare, meine grauen Haare!
Franz.
Ja oder Nein!
Daniel.
Nein! – Gott erbarme sich meiner!
Franz (im Begriff zu gehen).
Gut, du sollst's nöthig haben. (Daniel hält ihn auf und fällt vor ihm nieder.)
Daniel.
Erbarmen, Herr! Erbarmen!
Franz.
Ja oder Nein!
Daniel.
Gnädiger Herr, ich bin heute einundsiebenzig Jahr alt, und hab' Vater und Mutter geehret, und Niemand meines Wissens um des Hellers Werth im Leben vervortheilt, und hab' an meinem Glauben gehalten treu und redlich, und hab' in Eurem Hause gedient vierundvierzig Jahr, und erwarte jetzt ein ruhig seliges Ende, ach, Herr, Herr! (umfaßt seine Kniee heftig) und Ihr wollt mir den letzten Trost rauben im Sterben, daß der Wurm des Gewissens mich um mein letztes Gebet bringe, daß ich ein Gräuel vor Gott und Menschen schlafen gehen soll? Nein, nein, mein liebster bester, liebster gnädiger Herr! Das wollt Ihr nicht, Das könnt Ihr nicht wollen von einem einundsiebenzigjährigen Manne.
Franz.
Ja oder Nein! was soll das Geplapper?
Daniel.
Ich will Euch von nun an noch eifriger dienen, will meine dürren Sehnen in Eurem Dienst wie ein Taglöhner abarbeiten, will früher aufstehen, will später mich niederlegen – ach, und will Euch einschließen in mein Abend- und Morgengebet, und Gott wird das Gebet eines alten Mannes nicht wegwerfen.
Franz.
Gehorsam ist besser, denn Opfer. Hast du je gehört, daß sich der Henker zierte, wenn er ein Urtheil vollstrecken sollte?
Daniel.
Ach ja wohl! aber eine Unschuld erwürgen – einen –
Franz.
Bin ich dir etwa Rechenschaft schuldig? Darf das Beil den Henker fragen, warum dahin und nicht dorthin? – Aber sieh, wie langmüthig ich bin – ich biete dir eine Belohnung für Das, was du mir huldigtest.
Daniel.
Aber ich hoffte, ein Christ bleiben zu dürfen, da ich Euch huldigte.
Franz.
Keine Widerrede! Siehe, ich gebe dir einen ganzen Tag noch Bedenkzeit! Überlege es nochmals. Glück und Unglück – hörst du? verstehst du? das höchste Glück und das äußerste Unglück! Ich will Wunder thun im Peinigen.
Daniel (nach einigem Nachdenken).
Ich will's thun, morgen will ich's thun. (Ab.)
Franz.
Die Versuchung ist stark, und der war wohl nicht zum Märtyrer seines Glaubens geboren. – Wohl bekomm's denn, Herr Graf! Allem Ansehen nach werden Sie morgen Abend Ihre Henkermahlzeit halten! – Es kommt Alles nur darauf an, wie man davon denkt, und Der ist ein Narr, der wider seine Vortheile denkt. Den Vater, der vielleicht eine Bouteille Wein weiter getrunken hat, kommt der Kitzel an – und draus wird ein Mensch, und der Mensch war gewiß das Letzte, woran bei der ganzen Herculesarbeit gedacht wird. Nun kommt mich eben auch der Kitzel an – und dran krepiert ein Mensch, und gewiß ist hier mehr verstand und Absichten, als dort bei seinem Entstehen war – Hängt nicht das Dasein der meisten Menschen mehrentheils an der Hitze eines Juliusmittags, oder am anziehenden Anblick eines Betttuchs, oder an der wagrechten Lage einer schlafenden Küchengrazie, oder an einem ausgelöschten Licht? – Ist die Geburt des Menschen das Werk einer viehischen Anwandlung, eines Ungefährs, wer sollte wegen der Verneinung seiner Geburt sich einkommen lassen, an ein bedeutendes Etwas zu denken? Verflucht sei die Thorheit unserer Ammen und Wärterinnen, die unsere Phantasie mit schrecklichen Märchen verderben und gräßliche Bilder von Strafgerichten in unser weiches Gehirnmark drücken, daß unwillkürliche Schauder die Glieder des Mannes noch in frostige Angst rütteln, unsere kühnste Entschlossenheit sperren, unsere erwachende Vernunft an Ketten abergläubischer Finsterniß legen – Mord! wie eine ganze Hölle von Furien um das Wort flattert – die Natur vergaß einen Mann mehr zu machen – die Nabelschnur ist nicht unterbunden worden – der Vater hat in der Hochzeitnacht glatten Leib bekommen – und die ganze Schattenspielerei ist verschwunden. Es war etwas und wird nichts – heißt es nicht eben so viel, als: es war nichts und wird nichts, und um nichts wird kein Wort mehr gewechselt – der Mensch entsteht aus Morast, und watet eine Weile im Morast, und macht Morast, und gährt wieder zusammen in Morast, bis er zuletzt an den Schuhsohlen seines Urenkels unfläthig anklebt. Das ist das Ende vom Lied – der morastige Zirkel de menschlichen Bestimmung, und somit –
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