Dramatische Werke
nach ihm um und sieht ihn mit einem großen Blick an :
Hast du nur Tränen für des Freundes Unglück?
– Wo waret ihr, da man den Trefflichen
In Bande schlug? Wo war da eure Hülfe?
Ihr sahet zu, ihr ließt das Gräßliche geschehn,
Geduldig littet ihr's daß man den Freund
Aus eurer Mitte führte – Hat der Tell
Auch so an euch gehandelt? Stand er auch
Bedauernd da, als hinter dir die Reiter
Des Landvogts drangen, als der wüt'ge See
Vor dir erbrauste? Nicht mit müß'gen Tränen
Beklagt' er dich, in den Nachen sprang er, Weib
Und Kind vergaß er und befreite dich –
Walther Fürst :
Was konnten wir zu seiner Rettung wagen,
Die kleine Zahl, die unbewaffnet war!
Hedwig wirft sich an seine Brust :
O Vater! Und auch du hast ihn verloren!
Das Land, wir alle haben ihn verloren!
Uns allen fehlt er, ach! wir fehlen ihm!
Gott rette seine Seele vor Verzweiflung.
Zu ihm hinab ins öde Burgverlies
Dringt keines Freundes Trost – Wenn er erkrankte!
Ach, in des Kerkers feuchter Finsternis
Muss er erkranken – Wie die Alpenrose
Bleicht und verkümmert in der Sumpfesluft,
So ist für ihn kein Leben als im Licht
Der Sonne, in dem Balsamstrom der Lüfte.
Gefangen! Er! Sein Atem ist die Freiheit,
Er kann nicht leben in dem Hauch der Grüfte.
Stauffacher :
Beruhigt Euch. Wir alle wollen handeln,
Um seinen Kerker aufzutun.
Hedwig :
Was könnt ihr schaffen ohne ihn? – Solang
Der Tell noch frei war, ja da war noch Hoffnung,
Da hatte noch die Unschuld einen Freund,
Da hatte einen Helfer der Verfolgte,
Euch alle rettete der Tell – Ihr alle
Zusammen könnt nicht seine Fesseln lösen!
Der Freiherr erwacht.
Baumgarten :
Er regt sich, still!
Attinghausen sich aufrichtend :
Wo ist er?
Stauffacher :
Wer?
Attinghausen :
Er fehlt mir,
Verlässt mich in dem letzten Augenblick!
Stauffacher :
Er meint den Junker – Schickte man nach ihm?
Walther Fürst :
Es ist nach ihm gesendet – Tröstet Euch!
Er hat sein Herz gefunden, er ist unser.
Attinghausen :
Hat er gesprochen für sein Vaterland?
Stauffacher :
Mit Heldenkühnheit.
Attinghausen :
Warum kommt er nicht,
Um meinen letzten Segen zu empfangen?
Ich fühle, dass es schleunig mit mir endet.
Stauffacher :
Nicht also, edler Herr! Der kurze Schlaf
Hat Euch erquickt, und hell ist Euer Blick.
Attinghausen :
Der Schmerz ist Leben, er verließ mich auch,
Das Leiden ist, so wie die Hoffnung, aus.
Er bemerkt den Knaben.
Wer ist der Knabe?
Walther Fürst :
Segnet ihn o Herr!
Er ist mein Enkel und ist vaterlos.
Hedwig sinkt mit dem Knaben vor dem Sterbenden nieder.
Attinghausen :
Und vaterlos lass ich euch alle, alle
Zurück – Weh mir, dass meine letzten Blicke
Den Untergang des Vaterlands gesehn!
Musst ich des Lebens höchstes Maß erreichen,
Um ganz mit allen Hoffnungen zu sterben!
Stauffacher zu Walther Fürst :
Soll er in diesem finstern Kummer scheiden?
Erhellen wir ihm nicht die letzte Stunde
Mit schönem Strahl der Hoffnung? – Edler Freiherr!
Erhebet Euren Geist! Wir sind nicht ganz
Verlassen, sind nicht rettungslos verloren.
Attinghausen :
Wer soll euch retten?
Walther Fürst :
Wir uns selbst. Vernehmt!
Es haben die drei Lande sich das Wort
Gegeben, die Tyrannen zu verjagen.
Geschlossen ist der Bund, ein heil'ger Schwur
Verbinde uns. Es wird gehandelt werden,
Eh noch das Jahr den neuen Kreis beginnt,
Euer Staub wird ruhn in einem freien Lande.
Attinghausen :
O saget mir! Geschlossen ist der Bund?
Melchtal :
Am gleichen Tage werden alle drei
Waldstätte sich erheben. Alles ist
Bereit, und das Geheimnis wohlgewahrt
Bis jetzt, obgleich viel Hunderte es teilen.
Hohl ist der Boden unter den Tyrannen,
Die Tage ihrer Herrschaft sind gezählt,
Und bald ist ihre Spur nicht mehr zu finden.
Attinghausen :
Die festen Burgen aber in den Landen?
Melchtal :
Sie fallen alle an dem gleichen Tag.
Attinghausen :
Und sind die Edeln dieses Bunds teilhaftig?
Stauffacher :
Wir harren ihres Beistands, wenn es gilt,
Jetzt aber hat der Landmann nur geschworen.
Attinghausen richtet sich langsam in die Höhe, mit großem Erstaunen :
Hat sich der Landmann solcher Tat verwogen,
Aus eignem Mittel, ohne Hülf der Edeln,
Hat er der eignen Kraft so viel vertraut –
Ja, dann bedarf es unserer nicht mehr,
Getröstet können wir zu Grabe steigen,
Es lebt nach uns – durch andre Kräfte will
Das Herrliche der Menschheit sich erhalten.
Er legt seine Hand auf das Haupt des Kindes, das vor ihm auf den Knieen liegt.
Aus diesem Haupte, wo der Apfel lag,
Wird euch die neue bessre Freiheit
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