Dramatische Werke
sucht er heulend sich vergebens,
Denn ringsum schränken ihn die Felsen ein,
Die himmelhoch den engen Pass vermauren.
Er steigt auf die Anhöhe.
Knabe :
Es ist das Herrenschiff von Uri, Vater,
Ich kenn's am roten Dach und an der Fahne.
Fischer :
Gerichte Gottes! Ja, er ist es selbst,
Der Landvogt, der da fährt – Dort schifft er hin,
Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit!
Schnell hat der Arm des Rächers ihn gefunden,
Jetzt kennt er über sich den stärkern Herrn,
Diese Wellen geben nicht auf seine Stimme,
Diese Felsen bücken ihre Häupter nicht
Vor seinem Hute – Knabe, bete nicht
Greif nicht dem Richter in den Arm!
Knabe :
Ich bete für den Landvogt nicht – Ich bete
Für den Tell, der auf dem Schiff sich mit befindet.
Fischer :
O Unvernunft des blinden Elements!
Musst du, um einen Schuldigen zu treffen,
Das Schiff mitsamt dem Steuermann verderben!
Knabe :
Sieh, sieh, sie waren glücklich schon vorbei
Am Buggisgrat , doch die Gewalt des Sturms,
Der von dem Teufelsmünster widerprallt,
Wirft sie zum grossen Axenberg zurück.
– Ich seh sie nicht mehr.
Fischer :
Dort ist das Hackmesser ,
Wo schon der Schiffe mehrere gebrochen.
Wenn sie nicht weislich dort vorüberlenken,
So wird das Schiff zerschmettert an der Fluh,
Die sich gähstotzig absenkt in die Tiefe.
– Sie haben einen guten Steuermann
Am Bord, könnt einer retten, wär's der Tell,
Doch dem sind Arm und Hände ja gefesselt.
Wilhelm Tell mit der Armbrust.
Er kommt mit raschen Schritten, blickt erstaunt umher und zeigt die heftigste Bewegung. Wenn er mitten auf der Szene ist, wirft er sich nieder, die Hände zu der Erde und dann zum Himmel ausbreitend.
Knabe bemerkt ihn :
Sieh, Vater, wer der Mann ist, der dort kniet?
Fischer :
Er fasst die Erde an mit seinen Händen,
Und scheint wie ausser sich zu sein.
Knabe kommt vorwärts :
Was seh ich! Vater! Vater, kommt und seht!
Fischer nähert sich :
Wer ist es? – Gott im Himmel! Was! der Tell?
Wie kommt Ihr hieher? Redet!
Knabe :
Wart Ihr nicht
Dort auf dem Schiff gefangen und gebunden?
Fischer :
Ihr wurdet nicht nach Küssnacht abgeführt?
Tell steht auf :
Ich bin befreit.
Fischer und Knabe :
Befreit! O Wunder Gottes!
Knabe :
Wo kommt Ihr her?
Tell :
Dort aus dem Schiffe.
Fischer :
Was?
Knabe zugleich :
Wo ist der Landvogt?
Tell :
Auf den Wellen treibt er.
Fischer :
Ist's möglich? Aber Ihr ? Wie seid Ihr hier?
Seid Euren Banden und dem Sturm entkommen?
Tell :
Durch Gottes gnäd'ge Fürsehung – Hört an!
Fischer und Knabe :
O redet, redet!
Tell :
Was in Altdorf sich
Begeben, wisst Ihr's?
Fischer :
Alles weiss ich, redet!
Tell :
Dass mich der Landvogt fahen liess und binden,
Nach seiner Burg zu Küssnacht wollte führen.
Fischer :
Und sich mit Euch zu Flüelen eingeschifft!
Wir wissen alles, sprecht, wie Ihr entkommen?
Tell :
Ich lag im Schiff, mit Stricken fest gebunden,
Wehrlos, ein aufgegebner Mann – nicht hofft' ich,
Das frohe Licht der Sonne mehr zu sehn,
Der Gattin und der Kinder liebes Antlitz,
Und trostlos blickt' ich in die Wasserwüste –
Fischer :
O armer Mann!
Tell :
So fuhren wir dahin,
Der Vogt, Rudolf der Harras und die Knechte.
Mein Köcher aber mit der Armbrust lag
Am hintern Gransen bei dem Steuerruder.
Und als wir an die Ecke jetzt gelangt
Beim kleinen Axen, da verhängt' es Gott,
Dass solch ein grausam mördrisch Ungewitter
Gählings herfürbrach aus des Gotthards Schlünden,
Dass allen Ruderern das Herz entsank,
Und meinten alle, elend zu ertrinken.
Da hört ich's, wie der Diener einer sich
Zum Landvogt wendet' und die Worte sprach:
»Ihr sehet Eure Not und unsre, Herr,
Und dass wir all' am Rand des Todes schweben –
Die Steuerleute aber wissen sich
Für grosser Furcht nicht Rat und sind des Fahrens
Nicht wohlberichtet – Nun aber ist der Tell
Ein starker Mann und weiss ein Schiff zu steuern,
Wie, wenn wir sein jetzt brauchten in der Not?«
Da sprach der Vogt zu mir: »Tell, wenn du dir's
Getrautest, uns zu helfen aus dem Sturm,
So möcht ich dich der Bande wohl entled'gen.«
Ich aber sprach: »Ja, Herr, mit Gottes Hülfe
Getrau ich mir's, und helf uns wohl hiedannen.«
So ward ich meiner Bande los und stand
Am Steuerruder und fuhr redlich hin.
Doch schielt' ich seitwärts, wo mein Schiesszeug lag,
Und an dem Ufer merkt' ich scharf umher,
Wo sich ein Vorteil auftät' zum Entspringen.
Und wie ich eines Felsenriffs gewahre,
Das abgeplattet vorsprang in den See –
Fischer :
Ich kenn's, es ist am Fuss des grossen Axen,
Doch nicht für möglich acht
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