Dramatische Werke
ich's – so gar steil
Geht's an – vom Schiff es springend abzureichen –
Tell :
Schrie ich den Knechten, handlich zuzugehn,
Bis dass wir vor die Felsenplatte kämen,
Dort, rief ich, sei das Ärgste überstanden –
Und als wir sie frischrudernd bald erreicht,
Fleh ich die Gnade Gottes an, und drücke,
Mit allen Leibeskräften angestemmt,
Den hintern Gransen an die Felswand hin –
Jetzt schnell mein Schiesszeug fassend, schwing ich selbst
Hochspringend auf die Platte mich hinauf,
Und mit gewalt'gem Fußstoß hinter mich
Schleudr' ich das Schifflein in den Schlund der Wasser –
Dort mag's, wie Gott will, auf den Wellen treiben!
So bin ich hier, gerettet aus des Sturms
Gewalt und aus der schlimmeren der Menschen.
Fischer :
Tell, Tell, ein sichtbar Wunder hat der Herr
An Euch getan, kaum glaub' ich's meinen Sinnen –
Doch saget! Wo gedenket Ihr jetzt hin,
Denn Sicherheit ist nicht für Euch, wofern
Der Landvogt lebend diesem Sturm entkommt.
Tell :
Ich hört' ihn sagen, da ich noch im Schiff
Gebunden lag, er woll' bei Brunnen landen,
Und über Schwyz nach seiner Burg mich führen.
Fischer :
Will er den Weg dahin zu Lande nehmen?
Tell :
Er denkt's.
Fischer :
O so verbergt Euch ohne Säumen,
Nicht zweimal hilft Euch Gott aus seiner Hand.
Tell :
Nennt mir den nächsten Weg nach Arth und Küssnacht.
Fischer :
Die offne Strasse zieht sich über Steinen,
Doch einen kürzern Weg und heimlichern
Kann Euch mein Knabe über Lowerz führen.
Tell gibt ihm die Hand :
Gott lohn Euch Eure Guttat. Lebet wohl.
Geht und kehrt wieder um.
– Habt Ihr nicht auch im Rütli mit geschworen?
Mir deucht, man nannt' Euch mir –
Fischer :
Ich war dabei,
Und hab den Eid des Bundes mit beschworen.
Tell :
So eilt nach Bürglen, tut die Lieb mir an,
Mein Weib verzagt um mich, verkündet ihr,
Dass ich gerettet sei und wohlgeborgen.
Fischer :
Doch wohin sag ich ihr, dass Ihr geflohn?
Tell :
Ihr werdet meinen Schwäher bei ihr finden
Und andre, die im Rütli mit geschworen –
Sie sollen wacker sein und guten Muts,
Der Tell sei frei und seines Armes mächtig,
Bald werden sie ein Weitres von mir hören.
Fischer :
Was habt Ihr im Gemüt? Entdeckt mir's frei.
Tell :
Ist es getan , wird's auch zur Rede kommen.
Geht ab.
Fischer :
Zeig ihm den Weg, Jenni – Gott steh ihm bei!
Er führt's zum Ziel, was er auch unternommen.
Geht ab.
Zweite Szene
Edelhof zu Attinghausen.
Der Freiherr , in einem Armsessel, sterbend. Walther Fürst, Stauffacher, Melchtal und Baumgarten um ihn beschäftigt. Walther Tell knieend vor dem Sterbenden.
Walther Fürst :
Es ist vorbei mit ihm, er ist hinüber.
Stauffacher :
Er liegt nicht wie ein Toter – Seht, die Feder
Auf seinen Lippen regt sich! Ruhig ist
Sein Schlaf und friedlich lächeln seine Züge.
Baumgarten geht an die Türe und spricht mit jemand.
Walther Fürst zu Baumgarten :
Wer ist's?
Baumgarten kommt zurück :
Es ist Frau Hedwig, Eure Tochter,
Sie will Euch sprechen, will den Knaben sehn.
Walther Tell richtet sich auf.
Walther Fürst :
Kann ich sie trösten? Hab ich selber Trost?
Häuft alles Leiden sich auf meinem Haupt?
Hedwig hereindringend :
Wo ist mein Kind? Lasst mich, ich muss es sehn –
Stauffacher :
Fasst Euch, bedenkt, dass Ihr im Haus des Todes –
Hedwig stürzt auf den Knaben :
Mein Wälti! O er lebt mir.
Walther Tell hängt an ihr :
Arme Mutter!
Hedwig :
Ist's auch gewiss? Bist du mir unverletzt?
Betrachtet ihn mit ängstlicher Sorgfalt.
Und ist es möglich? Konnt er auf dich zielen?
Wie konnt er's? O er hat kein Herz – Er konnte
Den Pfeil abdrücken auf sein eignes Kind!
Walther Fürst :
Er tat's mit Angst, mit schmerzzerrissner Seele,
Gezwungen tat er's, denn es galt das Leben.
Hedwig :
O hätt er eines Vaters Herz, eh er's
Getan, er wäre tausendmal gestorben!
Stauffacher :
Ihr solltet Gottes gnäd'ge Schickung preisen,
Die es so gut gelenkt –
Hedwig :
Kann ich vergessen,
Wie's hätte kommen können – Gott des Himmels!
Und lebt' ich achtzig Jahr – Ich seh den Knaben ewig
Gebunden stehn, den Vater auf ihn zielen,
Und ewig fliegt der Pfeil mir in das Herz.
Melchtal :
Frau, wüsstet Ihr, wie ihn der Vogt gereizt!
Hedwig :
O rohes Herz der Männer! Wenn ihr Stolz
Beleidigt wird, dann achten sie nichts mehr,
Sie setzen in der blinden Wut des Spiels
Das Haupt des Kindes und das Herz der Mutter!
Baumgarten :
Ist Eures Mannes Los nicht hart genug,
Dass Ihr mit schwerem Tadel ihn noch kränkt?
Für seine Leiden habt Ihr kein Gefühl?
Hedwig kehrt sich
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