Dramatische Werke
auf Vorwürfe dieser Art muß mein Vaterland Antwort haben.
Ferdinand (auf seinen Degen gestützt).
Ich bin begierig.
Lady.
Hören Sie also, was ich, außer Ihnen, noch Niemand vertraute, noch jemals einem Menschen vertrauen will. – Ich bin nicht die Abenteurerin, Walter, für die Sie mich halten. Ich könnte groß thun und sagen: ich bin fürstlichen Geblüths – aus des unglücklichen Thomas Norfolks Geschlechte, der für die schottische Maria ein Opfer ward. – Mein Vater, des Königs oberster Kämmerer, wurde bezichtigt, in verrätherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet. – Alle unsre Güter fielen der Krone zu. Wir selbst wurden des Landes verwiesen. Meine Mutter starb am Tage der Hinrichtung. Ich – ein vierzehnjähriges Mädchen – flohe nach Deutschland mit meiner Wärterin – einem Kästchen Juwelen – und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte.
Ferdinand (wird nachdenkend und heftet wärmere Blicke auf die Lady).
Lady (fährt fort mit immer zunehmender Rührung).
Krank – ohne Namen – ohne Schutz und Vermögen – eine ausländische Waise, kam ich nach Hamburg. Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen Französisch – ein wenig Filet und den Flügel – desto besser verstund ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die Schmeicheleien der Großen Ihres Geschlechts aufzunehmen. – Sechs Jahre waren schon hingeweint. – Und die letzte Schmucknadel flog dahin – Meine Wärterin starb – und jetzt führte mein Schicksal Ihren Herzog nach Hamburg. Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wasser oder mein Leiden das Tiefste wäre? – Der Herzog sah mich, verfolgte mich, fand meinen Aufenthalt, – lag zu meinen Füßen und schwur, daß er mich liebe . (Sie hält in großen Bewegungen inne, dann fährt sie fort mit weinender Stimme.) Alle Bilder meiner glücklichen Kindheit wachten jetzt wieder mit verführendem Schimmer auf – Schwarz wie das Grab graute mich eine trostlose Zukunft an – Mein Herz brannte nach einem Herzen – Ich sank an das seinige. (Von ihm wegstürzend.). Jetzt verdammen Sie mich!
Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und hält sie zurück).
Lady! o Himmel! Was hör' ich? Was that ich? – Schrecklich enthüllt sich mein Frevel mir. Sie können mir nicht mehr vergeben.
Lady (kommt zurück und hat sich zu sammeln gesucht).
Hören Sie weiter. Der Fürst überraschte zwar meine wehrlose Jugend – aber das Blut der Norfolk empörte sich in mir: Du, eine geborene Fürstin, Emilie, rief es, und jetzt eines Fürsten Concubine? – Stolz und Schicksal kämpften in meiner Brust, als der Fürst mich hieher brachte und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand! – Die Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyäne, die sich mit Heißhunger Opfer sucht. – Fürchterlich hatte sie schon in diesem Lande gewüthet – hatte Braut und Bräutigam zertrennt – hatte selbst der Ehen göttliches Band zerrissen — hier das stille Glück einer Familie geschleift – dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest aufgeschlossen, und sterbende Schülerinnen schäumten den Namen ihres Lehrers unter Flüchen und Zuckungen aus – Ich stellte mich zwischen das Lamm und den Tiger, nahm einen fürstlichen Eid von ihm in einer Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung mußte aufhören.
Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal).
Nichts mehr, Milady! Nicht weiter!
Lady.
Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pariserinnen tändelten mit dem furchtbaren Scepter, und das Volk blutete unter ihren Launen – Sie alle erlebten ihren Tag. Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette, als sie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zügel ab, der wollüstig in meiner Umarmung erschlappte – dein Vaterland, Walter, fühlte zum erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen. (Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.) O daß der Mann, von dem ich allein nicht verkannt sein möchte, mich jetzt zwingen muß, groß zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu versengen! – Walter, ich habe Kerker gesprengt – habe
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