Dramatische Werke
den knirschenden Gelenken hinaufzuführen und das zuckende Herz mit dem Streich der Erbarmung zu necken? – Welches Schicksal wartet auf meinen Vater? Es ist Tod in Dem, was du lachend sagst; wie mag Das aussehen, was du an dich hältst? Sprich es aus. Laß mich sie auf einmal haben, die ganze zermalmende Ladung. Was wartet auf meinen Vater?
Wurm.
Ein Criminal-Proceß.
Luise.
Was ist aber das? – Ich bin ein unwissendes, unschuldiges Ding, verstehe mich wenig auf eure fürchterlichen lateinischen Wörter. Was heißt Criminal-Proceß?
Wurm.
Gericht um Leben und Tod.
Luise (standhaft).
So dank' ich Ihnen! (Sie eilt schnell in ein Seitenzimmer.)
Wurm (steht betroffen da).
Wo will das hinaus! Sollte die Närrin etwa? – Teufel! Sie wird doch nicht – Ich eile nach – ich muß für ihr Leben bürgen. (Im Begriff, ihr zu folgen.)
Luise (kommt zurück, einen Mantel umgeworfen).
Verzeihen Sie, Secretär. Ich schließe das Zimmer.
Wurm.
Und wohin denn so eilig?
Luise.
Zum Herzog. (Will fort.)
Wurm.
Was? Wo hin? (Er hält sie erschrocken zurück.)
Luise.
Zum Herzog. Hören Sie nicht? Zu eben dem Herzog, der meinen Vater auf Tod und Leben will richten lassen – Nein! nicht will – muß richten lassen, weil einige Böswichter wollen; der zu dem ganzen Proceß der beleidigten Majestät nichts hergibt, als eine Majestät und seine fürstliche Handschrift.
Wurm (lacht überlaut).
Zum Herzog!
Luise.
Ich weiß, worüber Sie lachen – aber ich will ja auch kein Erbarmen dort finden – Gott bewahre mich! nur Ekel – Ekel nur an meinem Geschrei. Man hat mir gesagt, daß die Großen der Welt noch nicht belehrt sind, was Elend ist – nicht wollen belehrt sein. Ich will ihm sagen, was Elend ist – will es ihm vormalen in allen Verzerrungen des Todes, was Elend ist – will es ihm vorheulen in Mark und Bein zermalmenden Tönen, was Elend ist – und wenn ihm jetzt über der Beschreibung die Haare zu Berge fliegen, will ich ihm noch zum Schluß in die Ohren schrei'n, daß in der Sterbestunde auch die Lungen der Erdengötter zu röcheln anfangen und das jüngste Gericht Majestäten und Bettler in dem nämlichen Siebe rüttelt. (Sie will gehen.)
Wurm (boshaft freundlich).
Gehen Sie, o gehen Sie ja. Sie können wahrlich nichts Klügeres thun. Ich rathe es Ihnen, gehen Sie, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß der Herzog willfahren wird.
Luise (steht plötzlich still).
Wie sagen Sie? – Sie rathen mir selbst dazu? (Kommt schnell zurück.) Hm! Was will ich denn? Etwas Abscheuliches muß es sein, weil dieser Mensch dazu rathet – Woher wissen Sie, daß der Fürst mir willfahren wird?
Wurm.
Weil er es nicht wird umsonst thun dürfen.
Luise.
Nicht umsonst? Welchen Preis kann er auf eine Menschlichkeit setzen?
Wurm.
Die schöne Supplicantin ist Preises genug.
Luise (bleibt erstarrt stehen, dann mit brechendem Laut).
Allgerechter!
Wurm.
Und einen Vater werden Sie doch, will ich hoffen, um diese gnädige Taxe nicht überfordert finden?
Luise (auf und ab, außer Fassung).
Ja! ja! Es ist wahr! Sie sind verschanzt, eure Großen – verschanzt vor der Wahrheit hinter ihre eigenen Laster, wie hinter Schwerter der Cherubim – Helfe dir der Allmächtige, Vater! Deine Tochter kann für dich sterben, aber nicht sündigen.
Wurm.
Das mag ihm wohl eine Neuigkeit sein, dem armen verlassenen Mann – »Meine Luise,« sagte er mir, »hat mich zu Boden geworfen. Meine Luise wird mich auch aufrichten.« – Ich eile, Mamsell, ihm die Antwort zu bringen. (Stellt sich, als ob er ginge.)
Luise (eilt ihm nach, hält ihn zurück).
Bleiben Sie! bleiben Sie! Geduld! Wie flink dieser Satan ist, wenn es gilt, Menschen rasend zu machen! – Ich hab' ihn niedergeworfen. Ich muß ihn aufrichten. Reden Sie! Rathen Sie! Was kann ich? was muß ich thun?
Wurm.
Es ist nur ein Mittel.
Luise.
Dieses einzige Mittel?
Wurm.
Auch Ihr Vater wünscht –
Luise.
Auch mein Vater? – Was ist das für ein Mittel?
Wurm.
Es ist Ihnen leicht.
Luise.
Ich kenne nichts Schwereres, als die Schande.
Wurm.
Wenn Sie den Major wieder frei machen wollen.
Luise.
Von seiner Liebe? Spotten Sie meiner? – Das meiner Willkür zu überlassen, wozu ich gezwungen ward?
Wurm.
So ist es nicht gemeint, liebe Jungfer. Der Major muß zuerst und freiwillig zurücktreten.
Luise.
Er wird nicht.
Wurm.
So scheint es. Würde man denn wohl seine Zuflucht zu Ihnen nehmen, wenn nicht Sie allein dazu helfen könnten?
Luise.
Kann ich ihn zwingen,
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