Dramatische Werke
die Strafe ist hart! (Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.)
Luise (spricht aus dem Winkel).
Du thust recht, armer alter Mann! Lerne bei Zeit noch verlieren.
Miller (springt auf).
Bist du da, mein Kind? Bist du? – Aber warum denn so einsam und ohne Licht?
Luise.
Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz wird um mich herum, hab' ich meine besten Besuche.
Miller.
Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwärmt mit der Eule. Sünden und böse Geister scheuen das Licht.
Luise.
Auch die Ewigkeit , Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen redet.
Miller.
Kind! Kind! Was für Reden sind das?
Luise (steht auf und kommt vorwärts).
Ich hab' einen harten Kampf gekämpft. Er weiß es, Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist entschieden. Vater, man pflegt unser Geschlecht zart und zerbrechlich zu nennen. Glaub' Er das nicht mehr. Vor einer Spinne schütteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung drücken wir im Spaß in die Arme. Dieses zur Nachricht, Vater. Seine Luise ist lustig.
Miller.
Höre, Tochter! ich wollte du heultest. Du gefielst mir so besser.
Luise.
Wie ich ihn überlisten will, Vater! Wie ich den Tyrannen betrügen will! – Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kühner – das hat er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen Stern – O, sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit dem Kopf zu thun haben; aber sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Böswichter dumm — Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater, binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sacramente eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen – Will Er mir dies Billet besorgen, Vater? Will Er so gut sein?
Miller.
An wen, meine Tochter?
Luise.
Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben mit einander nicht Raum genug für einen einzigen Gedanken an ihn – Wenn hätt' ich denn wohl an sonst Jemand schreiben sollen?
Miller (unruhig).
Höre, Luise! Ich erbrechen den Brief.
Luise.
Wie Er will, Vater – aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur dem Auge der Liebe.
Miller (liest).
»Du bist verrathen, Ferdinand! – Ein Bubenstück ohne Beispiel zerriß den Bund unsrer Herzen, aber ein schrecklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat überall seine Horcher gestellt. Doch, wenn du Muth hast, Geliebter, – ich weiß einen dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet und wohin ihm kein Horcher geht.« (Miller hält inne und sieht ihr ernsthaft ins Gesicht.)
Luise.
Warum sieht Er mich so an? Les' Er doch ganz aus, Vater.
Miller.
»Aber Muth genug mußt du haben, eine finstre Straße zu wandeln, wo dir nichts leuchtet, als deine Luise und Gott – Ganz zur Liebe mußt du kommen, daheim lassen all deine Hoffnungen und all deine brausenden Wünsche; nichts kannst du brauchen, als dein Herz. Willst du – so brich auf, wenn die Glocke den zwölften Streich thut auf dem Carmeliterthurm. Bangt dir – so durchstreiche das Wort stark vor deinem Geschlechte, denn ein Mädchen hat dich zu Schanden gemacht.« (Miller legt das Billet nieder, schaut lange mit einem schmerzlichen, starren Blick vor sich hinaus, endlich kehrt er sich gegen sie und sagt mit leiser, gebrochener Stimme.) Und dieser dritte Ort, meine Tochter?
Luise.
Er kennt ihn nicht? Er kennt ihn wirklich nicht, Vater? – Sonderbar! Der Ort ist zum Finden gemalt. Ferdinand wird ihn finden.
Miller.
Hum! rede deutlicher.
Luise.
Ich weiß so eben kein liebliches Wort dafür – Er muß nicht erschrecken, Vater, wenn ich Ihm ein häßliches nenne. Dieser Ort – O warum hat die Liebe nicht Namen erfunden! den schönsten hätte sie diesem gegeben. Der dritte Ort, guter Vater – aber Er muß mich ausreden lassen – der dritte Ort ist das Grab .
Miller (zu seinem Sessel hinwankend).
O mein Gott!
Luise (geht auf ihn zu und hält ihn).
Nicht doch, mein Vater! Das sind nur Schauer, die sich um das Wort herum lagern – Weg mit diesem, und es liegt ein Brautbette da, worüber der Morgen seinen goldenen Teppich breitet und die Frühlinge ihre bunten Guirlanden streun. Nur ein heulender Sünder konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein holder, niedlicher Knabe, blühend, wie sie den Liebesgott malen, aber so tückisch nicht – ein stiller, dienstbarer Genius, der der erschöpften Pilgerin Seele den Arm bietet über den Graben der Zeit, das Feenschloß der ewigen Herrlichkeit aufschließt, freundlich nickt und
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