Dramocles
beizuwohnen«, die man »ebenso real wie irreal« nennen könne.
Durr machte gegenüber der Polizei einige sensationelle Äußerungen. Er gab zu, ein Agent Tlalocs zu sein. Er behauptete, Tlaloc sei ihm mehrmals im Traum erschienen und habe ihm eine »unermeßlich reiche Belohnung« für seine Dienste versprochen. Durr fügte hinzu:
»Eine leidensvolle Zeit wird kommen. Tlaloc und seine Gefolgsleute werden sich bald zu erkennen geben. Wir alle werden vor der großen Wahl stehen, und wehe dem, der falsch wählt, denn er wird den Tod finden, während Tlaloc aber das ewige Leben bedeutet.«
Durr wird gegenwärtig noch weiter verhört und muß in Kürze mit einer Anklage rechnen.
Als er das las, staunte Dramokles nicht schlecht. Er war verwirrt. War also doch etwas an Max’ Verschwörungstheorie? Existierte Tlaloc tatsächlich? Dramokles weigerte sich, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Das Leben war auch ohne Tlaloc schon schwierig genug. Er beschloß sich später damit zu befassen, wenn er Zeit hatte.
29
Während Vitellos Mission auf Vanir hatte sich Chuch in den Purpurpalast zurückgezogen, den sein Onkel ihm zur Verfügung gestellt hatte. Dieser Ort war auf Crimsole berühmt für seine Geschichte. Hierher waren die Grafen von Cromstitch gekommen, um die versprengten Reste der Armee von Elginwrath, dem Freiheitsstürmer, neu um sich zu scharen, was der Beginn einer sozialen Bewegung gewesen war, die heute als Stitivismus bekannt ist. Hier im Purpurpalast, oder genauer gesagt in den ehemaligen Gärten an seiner Westseite, war der Vertrag von Horging unterzeichnet worden. Dieser Vertrag hatte die sprachliche Eigenständigkeit der Sprecher der Dialekte Roemit und Alt-Tanth auf ewig festgeschrieben und so Clarence, den Herzog von Hraughtly, aller Macht beraubt. Es war ein schöner Palast mit hohen Zwiebeltürmen, umgeben von mächtigen Zinnen. Der Blick von den oberen Burgwällen auf den Fluß Dys und das Vorgebirge der Crossets war unvergleichlich.
Chuch amüsierte sich gerade im Keller in der Folterkammer, als eine knisternde Lautsprecherstimme sagte: »Ein Besucher am Tor.«
Der Prinz löste seinen Blick von der nackten jungen Frau, die auf das Streckbrett gefesselt war. »Wer kann das sein?« fragte er.
»Ich wette, es ist Vitello«, sagte die nackte junge Frau.
»Es ist Vitello«, fügte der Lautsprecher hinzu.
»Laß ihn herein«, sagte Chuch. »Was dich betrifft«, sagte er zu der nackten jungen Dame, »glaube ich, daß du diese Sache nicht ernst genug nimmst. Du bist mir hilflos ausgeliefert, und ich werde dir große Schmerzen bereiten, darauf kannst du dich verlassen.«
»Oh, ich weiß, Lordschaft«, sagte die junge Frau. »Und zuerst war ich auch ziemlich erschrocken, als Baron John, dessen Geschenk an Sie ich bin, mir erklärte, daß mein Herr Chuch seine brutalen und sadistischen Triebe an mir befriedigen würde. Ich bin zum ersten Mal in einer solchen Situation und wußte nicht recht, wie ich reagieren sollte, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber ich habe nachgedacht, während ich hier auf diesem Folterbrett lag. Ich finde es wirklich sehr romantisch, daß wir beide uns auf diese Weise begegnen. Und natürlich ist Ihr Interesse an mir für mich äußerst schmeichelhaft. Ich heiße übrigens Doris.«
»Frau«, sagte Chuch, »deine Vermutungen sind fantastisch und unhaltbar. Es besteht keinerlei Beziehung zwischen uns. Du bist für mich lediglich ein Haufen Fleisch, ein schmerzempfindliches Nichts mit Beinen, daß ich mißbrauchen und dann wegwerfen werde.«
»Ich finde es sehr aufregend, wenn Sie solche Sachen sagen«, sagte Doris.
»Das sollst du aber nicht aufregend finden.« brüllte Chuch. Dann sagte er etwas ruhiger: »Mir wäre am liebsten, wenn du überhaupt nicht reden würdest. Kannst du nicht einfach nur stöhnen?«
Doris stöhnte eifrig.
»Nein, nein, nicht wie eine Kuh«, sagte Chuch. »Man muß hören können, daß du Schmerz empfindest.«
»Das weiß ich. Aber Sire, es ist Ihnen bis jetzt noch nicht gelungen, mich wirklich Schmerz empfinden zu lassen. Obwohl ich nackt auf diesem Streckbrett liege, und meine verschiedenen Körperöffnungen Ihnen frei zugänglich sind.«
»Also wirklich!« Chuch zuckte zusammen.
»Ich wollte sagen, nicht einmal dieses Brett, auf dem ich wollüstig ausgestreckt bin, ist stramm genug gespannt, um mir Schmerz zu verursachen, wenn ich auch simuliere, so gut es geht. Mit dem Schmerz ist es irgendwie lustig.«
»Schmerz ist überhaupt nicht
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