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Drei Dichter ihres Lebens

Drei Dichter ihres Lebens

Titel: Drei Dichter ihres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Spiegelschrift die Geheimnisse seines Gefühls. Was schert ihn, seit er endlich verachten gelernt, der grobe lautsprecherische Pöbel ringsum, dem nur dick aufgetragene, grelle Plakatschrift in die Augen fällt, dem nur scharf Überwürztes und schmalzig Gekochtes mundet? »Que m'importent les autres?«, was liegt mir an den andern, läßt er stolz seinen Julien sagen. Nein, sich nicht schämen, daß man in einer derart entcanaillierten, einer so vulgären Welt keinen Erfolg hat; »l'égalité est la grande loi pour plaire«, man muß über den gleichen Leisten gespannt sein, um diesem Pack sich anzupassen, aber Gott sei Dank, man ist ein »être extraordinaire«, ein »être supérieur«, ein einzelner, ein Sonderfall, ein Individuum, ein differenziertes Wesen und kein Herdenhammel. Alle die äußeren Erniedrigungen, das Zurückbleiben in der Karriere, die Blamagen bei den Frauen, die vollständige Erfolglosigkeit in der Literatur, das genießtStendhal seit der Entdeckung seiner Sonderheit als Beweis seiner Überlegenheit. Sieghaft schlägt sein Minderwertigkeitsgefühl um in hellen Hochmut, jenen herrlich, heiteren und sorglosen Hochmut Stendhals. Mit Absicht hält er sich jetzt immer weiter weg von jeder Gemeinschaft und kennt nur noch eine Sorge, »de travailler son caractère«, seinen Charakter, seine seelische Physiognomie markanter herauszuarbeiten. Nur Besonderheit hat Wert in einer so amerikanisierten, einer solchen Taylor-System-Welt, »il n'y a pas d'intéressant que ce qui est un peu extraordinaire«: also seien wir besonders, beharren, bestärken wir gerade das Korn Seltsamkeit in uns! Kein holländischer Tulpennarr hat jemals eine Kreuzung kostbarster Art behutsamer gezüchtet als Stendhal seine Zwiespältigkeit und Sonderheit; er konserviert sie in einer eigenen geistigen Essenz, die er den »Beylismus« nennt, einer Philosophie, die nichts anderes meint als die Kunst, den Henri Beyle im Henri Beyle unverändert zu erhalten. Nur um sich stärker zu isolieren von allen andern, tritt er in bewußte Opposition zu seiner Zeit und lebt wie sein Julien: »en guerre avec toute la société«. Als Dichter verachtet er die schöne Form und proklamiert das Bürgerliche Gesetzbuch zur wahren ars poetica, als Soldat höhnt er den Krieg, als Politiker ironisiert er die Geschichte, als Franzose verspottet er die Franzosen: überall zieht er Gräben und Stacheldrähte zwischen sich und die Menschen, nur damit sie nicht nahe an ihn herankommen können. Selbstverständlich bringt er sich damit um jede Karriere, er versäumt als Soldat, als Diplomat, als Literat jeden Erfolg, aber das mehrt nur seinen Stolz; »Ich bin kein Herdenvieh, also bin ich nichts«; nein, nur nichts sein für diese Pöbelgeister, ein Nichts bleiben vor diesen Nichtsen. Er ist glücklich, nirgends hineinzupassen, in keine ihrer Klassen, ihrer Rassen, ihrer Stände und Vaterländer, begeistert, als zweibeiniges Paradox auf seinen eigenen Füßen seinen eigenen Weg zu wandern, statt inmitten dieser servilen Diensthammel die breite Straße zum Erfolg zu trotten. Lieber zurückbleiben, lieber außen stehen, allein stehen. Aber frei bleiben. Und dieses Freibleiben, Sich-frei-Machen von allen Zwängen und Beeinflussungen hat Stendhal genial verstanden. Muß er ab und zu aus Notdurft einen Beruf annehmen, eine Uniform tragen, so gibt er von sich nur genau das her, was unumgänglich nötig ist, um nicht von der Krippe gejagtzu werden, und keinen Zoll und kein Quentchen mehr. Wirft ihm sein Vetter den Husarenrock um, er fühlt sich deswegen keineswegs als Soldat; schreibt er Romane, so verschreibt er sich darum noch nicht der fachmännischen Schriftstellerei; muß er die gestickte Borte des Diplomaten tragen, so setzt er innerhalb der Amtsstunden irgendeinen Herrn Beyle an den Schreibtisch, der mit dem wirklichen Stendhal nur die Haut, den runden Bauch und die Knochen gemein hat. Aber weder an die Kunst noch an die Wissenschaft und am wenigsten an das Amt gibt er jemals einen Teil seines wirklichen Wesens her, und tatsächlich hat zeitlebens nie einer seiner Dienstkameraden geahnt, daß er in der gleichen Kompanie mit dem größten Dichter Frankreichs exerzierte oder am gleichen Schreibtisch Akten schob. Und selbst seine illustren Kollegen der Literatur (außer Balzac) sahen in ihm nichts als einen amüsanten Causeur, einen Exoffizier, der gelegentliche Sonntagsritte über ihre Äcker unternahm. Vielleicht hat nur Schopenhauer von all seinen Zeitgenossen

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