Drei Generationen auf dem Jakobsweg: ... und meine Erfahrung mit Gott! (German Edition)
Ladenbesitzer sah, dass Franzi ihren Joghurt und ihre Cornflakes verzehren wollte, öffnete er kurzerhand das gegenüberliegende Lokal und setzte beide, Mutter und Kind, noch bevor diese wussten, was ihnen geschah, hinein. Es war schön zuzusehen. Über seinem Tante-Emma-Laden entdeckten wir dann ein Schild, auf dem stand: noch 469 km bis Santiago de Compostela. Wir waren begeistert. Hatten wir doch großzügig gerechnet schon fast die Hälfte hinter uns. Nur noch 469 km. Natürlich wussten wir das auch so, aber schwarz auf weiß geschrieben prägte es sich doch besser ein.
Gleich ging es viel beschwingter weiter. Danach allerdings führt uns der Weg durch fast mittelalterlich anmutende kleine Orte mit massiven alten Steinhäusern. Wir wanderten weiter über flache Feldwege, welche rechts und links von Getreidefeldern eingesäumt waren. Vorwiegend blühten an den Feldrainen prachtvolle Mohnblumen, welche mich vorübergehend in meine Kindheit zurückversetzten, wo es auch bei uns in Bayern noch viele Getreidefelder gegeben hatte, bevor die Bauern allesamt auf Mais umgestellt hatten. Mich überfiel von einem auf den anderen Augenblick ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Ein Gefühl der Harmonie und Dankbarkeit. Ich war so dankbar für alles, was ich in meinem Leben erlebt hatte. Im Guten wie im Schlechten. Plötzlich wusste ich genau, warum ich dort geboren wurde, wo ich geboren wurde. Warum ich das erlebt habe, was ich erlebt habe. Ich war meinen Eltern unheimlich dankbar, dass sie waren, wie sie waren, denn ansonsten wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Wie aus heiterem Himmel zogen alle weniger positiven Erlebnisse aus der Vergangenheit wie im Schnelldurchlauf an mir vorbei. So, als würden sie gerade erst kommen, und ich sie jetzt aber gleichzeitig verabschiedete. Ein paar Episoden aus meiner Kindheit allerdings, die Tage, die ich gemeinsam mit meinem Onkel und meiner Cousine verbringen durfte, kamen wie im Zeitraffer daher, nicht ahnend, dass dieser besagte Onkel kurz nach unserer Rückkehr aus Spanien versterben würde. Ich sah uns schlittschuhlaufend am Baggersee, wandern und bergsteigen im österreichischen wie im bayerischen Raum, auf die Freilassinger Hütte, den Untersberg, das Lattengebirge, den Staufen und den Zwiesel, um nur einige zu nennen. Was hatten wir, meine Cousine und ich, für Spaß, wenn wir in einem Matratzenlager nächtigen durften, auch wenn es hieß, das Lager mit 50 anderen Personen zu teilen. Oder morgens sich am Brunnen mit eiskaltem, aber kristallklarem Gebirgswasser zu waschen und die Zähne zu putzen. Plötzlich war alles wieder da, worüber ich seit Jahrzehnten nicht mehr nachgedacht hatte. Ich sah uns spielend im Gemüse- und Blumengarten unserer Großmutter. Alles Gute holte mich ein. Plötzlich sah ich all die negativen Dinge aus meiner Vergangenheit nur noch als Eckpfeiler oder als Hinweise, es in Zukunft besser machen zu dürfen. Mich selbst lobend, da mir vieles bereits gelungen war, lief ich weiter.
In Hornillos del Camino angekommen machten wir kurz in einem netten kleinen Lokal Rast, um uns zu stärken. Wir bestellten eine Platte mit Schinken, Spiegelei und Pommes für jeden. Nachdem sich unsere Kleine, als alles auf den Tisch kam, wieder unaufgefordert mit einem »gracias Senora« bedankte, spendierte ihr die Wirtin vor lauter Begeisterung noch eine extra Portion Pommes mit Ketchup und anschließend sogar noch ein Eis. Wohl wissend, dass wir noch zehn Kilometer vor uns hatten, machten wir uns wieder auf den Weg. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber meine ganzen Gräten schmerzten erst einmal, bevor ich wieder in Tritt kam. Nur, was sollte ich noch jammern, nachdem ich die Blasen an den Füßen meines Mannes gesehen hatte? Wieder war ich sehr dankbar, dass Larissa bisher von Blasen verschont worden war. Trotzdem hatten wir heute bis auf kleine Auf- und Abstiege eine leichte, sprich flache Etappe über gute, jedoch leider schattenlose Feldwege. Wie gut, dass es heute etwas kühler war. Wir liefen an sich im Wind wogenden Weizenfeldern vorbei, welche den Anschein von Samt und Seide boten. Ein wunderbarer Anblick, soweit das Auge reichte. Weil die Wege in dieser Gegend wie bereits erwähnt ohne jeglichen Schatten verlaufen, haben die Spanier hier offensichtlich doch ihr Herz für Pilger entdeckt. Über mehrere Kilometer sahen wir neu gepflanzte Jungbäume, welche in den kommenden Jahren Pilgern als Schattenspender dienen würden.
Larissa blieb heute bei uns und ließ sich
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