Drei Generationen auf dem Jakobsweg: ... und meine Erfahrung mit Gott! (German Edition)
wir Franziska und Pilar keine Sekunde mehr aus den Augen.
Der Abend fing so entspannt an und endete mit einem großen Unbehagen. Nachdem er Franziska ein Eis gekauft hatte, kam er zu mir und bediente sich an meinen Zigaretten. Nicht, dass ich sie ihm nicht gerne gegeben hätte, aber er sah es als selbstverständlich an und fragte nicht einmal. Als Pilar aufgefordert wurde ins Bett zu gehen, tat meine Tochter es ihr gleich, nur um Franzi aus dem Blickfeld dieses aufdringlichen Menschen zu bringen. Mein Mann und ich tranken noch ein Glas guten Weißweines, das uns die Großmutter von Pilar spendiert hatte, und gingen dann ebenso etwas enttäuscht von diesem Abend ins Bett. Die Situation war etwas ärgerlich, denn wir hätten gerne innerhalb unserer Familie den heutigen Tag Revue passieren lassen. Aber nun gut, alle lagen in einem wunderbaren Bett und morgen war ja auch noch ein Tag.
3. Juni Hontanas – Boadilla del Camino (29 km)
Das Frühstück war spartanisch, Kaffee und ein paar Kekse! Aber wir sahen es positiv, da man mit vollem Magen ja bekanntlich nicht so gut laufen kann. Heute hatten wir uns eine Strecke von 29 km und einer voraussichtlichen Gehzeit von ungefähr sechs Stunden vorgenommen. Zunächst folgten wir der Straße aus Hontanas hinaus, liefen dann über einen breiten Feldweg, der letzten Endes aber wieder auf die Straße zurück in Richtung San Anton und Castrojeriz führte. Schon bald rüstete sich unsere Kleine wieder für ihren Vormittagsschlaf und somit zog Larissa wieder ordentlich an, um Tempo zu machen. Auch wir ließen San Anton links liegen und marschierten in einem ordentlichen Tempo Richtung Castrojeriz weiter.
Das Wetter war herrlich! Sonnenschein, aber nicht zu heiß. Larissa war erstaunt, als wir gleich hinter ihr ankamen, freute sich aber, auch ein bisschen von ihren Eindrücken wiedergeben zu können. Direkt am Ortsschild mussten wir warten, da eine riesige Schafherde, welche von einem Schäfer und drei kläffenden Hunden begleitet wurde, an uns vorbei wollte. Es war schon ein seltsames Gefühl, inmitten von ungefähr 100 Schafen zu stehen, welche einen, wenn man nicht aufpasste, umrennen würden. Besonders Acht mussten wir auf unsere Kinderkutsche geben. Unsere Kleine, von dem Hundegebell wach geworden, staunte nicht schlecht, als sie rund um sich nur noch Schafe sah. Sogleich entstieg sie ihrer Kutsche und wollte jedes Tier einzeln streicheln. Nachdem dieses Spektakel vorbei war, gingen wir zügig weiter. Heute wollten wir, um nicht zu spät an unserem heutigen Etappenziel anzukommen, nur eine kurze Rast auf dem Tafelberg Alto de Mostelares einlegen. Bis dahin hatten wir noch dreieinhalb Stunden Gehzeit und einen kurzen, aber heftigen zwölfprozentigen Anstieg auf den Tafelberg vor uns.
Franziska setzte sich wieder in ihre Kutsche und Larissa zog los. Ich dachte nur, heute möchte sie es uns aber zeigen. Ich rief ihr noch nach, sie solle unbedingt vor dem Anstieg warten. Wir waren ungefähr 150 Meter hinter ihr und sahen sie im freien Gelände schiebend vor uns. Jetzt begann der zwölfprozentige Anstieg auf den Tafelberg, aber Larissa schob weiter. Wir konnten beobachten, dass sie auf halber Strecke den Kopf schon niedriger hatte als die Lenkstange und immer langsamer wurde. Ebenso sahen wir, dass viele Pilger (überwiegend Männer) sie überholten und keiner auch nur annähernd Anstalten machte, ihr zu helfen. Das konnte man auch nicht erwarten, denn jeder hat auf diesem Weg genug mit sich selbst zu tun. Ich bat alle meine Schutzheiligen da oben, ihr doch von einem nachfolgenden Pilger helfen zu lassen. Auch hatte ich die Hoffnung, dass, bevor ihr schlecht würde, sie einfach anhielt und auf uns wartete. Wir gingen wirklich flott, aber mit über zehn Kilo auf dem Rücken ging es einfach nicht mehr schneller. Ich konnte ihr nicht mehr zusehen und neigte meinen Blick zum Boden, aber als ich wieder aufsah, sah ich, dass die Kutsche plötzlich von zwei Personen geschoben wurde.
Lieber Gott und alle, die dazu beigetragen haben, ich danke euch!
Als auch wir etwa fünf Minuten später am Alto de Mostelares ankamen, saßen Larissa und Franziska alleine auf einer kleinen Bank und weit und breit war kein anderer Pilger. Auf meine Nachfrage, wo denn ihr Helfer sei, sagte Larissa nur kurz, dass dieser am Berg buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht sei, ihr schieben geholfen habe und oben sogleich ohne Rast weiterlaufen wollte. Das war »mein rettender Engel«. Wie recht sie doch hatte.
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