Drei Generationen auf dem Jakobsweg: ... und meine Erfahrung mit Gott! (German Edition)
umgeschnallt, Wanderschuhe zugeschnürt und das Kind im Wagen warm verpackt. Noch war es etwas kühler, deshalb zogen auch wir erst einmal eine Schicht mehr an, trotzdem versprach die kühle Morgenluft wieder einen sehr schönen Wandertag. Heute hatten wir ja nur 20 Kilometer, die spulten wir doch gleich ab, alberten wir herum.
Als ich dann während des Laufens so meinen Gedanken nachhing, schämte ich mich fast für meine Worte. Aber trotzdem, »abspulen« war jetzt genau der treffende Ausdruck. Mit gestrigem Tag hatten wir immerhin 600 Kilometer hinter uns und somit hatten wir nur noch 190 Kilometer vor uns. Also nur noch in etwa ein Drittel dessen, was wir schon gelaufen waren. Ein gutes Gefühl, wenn nichts mehr dazwischenkam, würden wir am 23. Juni in Santiago de Compostela einlaufen. Mein Mann, meine Tochter und ich waren uns einig, bei allen positiven und negativen Erfahrungen, die wir bisher gemacht hatten, bei allem, was wir auf dieser Strecke erleben durften oder auch mitmachen mussten, jetzt gab es nur noch eine Devise: Ankommen ist das Ziel!
Zuerst durchquerten wir Villafranca, danach liefen wir ewig neben der Landstraße. Es hätte eine zweite Route gegeben, mit etlichen Höhenmetern und schmalen Wegen gespickt, also nichts für die Kinderkutsche. Deshalb entschieden wir uns für die Route an der Straße entlang. Etwas mulmig war mir auch hier, da ich im Buch von Hape Kerkeling gelesen hatte, diese Strecke führe ohne Gehweg direkt an der Straße entlang, und ich hatte noch in Erinnerung, wie sehr ich lachen musste, als er über seine Angst bei der Bewältigung der Wegstrecke berichtete. Ich hatte da wirklich gelacht, na ja, über seinen Humor natürlich, nicht über seine Angst.
Doch es kam nicht so schlimm, wie ich es vermutete. Mittlerweile waren entlang der ganzen Wegstrecke ein Meter hohe Betonabweiser aufgestellt, welche Straße und Gehweg trennten. Also konnte man zwischenzeitlich die Strecke angstfrei überwinden. War ich froh. Trotzdem kein schöner Weg. Larissa legte heute wieder ein erhebliches Tempo vor. Die ganze Zeit musste ich an morgen denken. Heute konnten wir der schwierigen Route ausweichen, aber morgen würde nichts gehen. Morgen war der alte Römerweg, auf den sich Peter seinen Aussagen nach freute, seit wir unsere Flüge gebucht hatten, von Las Herrerias nach O Cebreiro angesagt. Also wieder schmale Wege und den Wagen über Stock und Stein, trotz unseres schweren Gepäcks, tragen. Ich dachte: Lieber Gott, wie sollen wir das überstehen? Lass mir bitte eine Lösung einfallen. Und sie fiel mir ein. Maxi aus Wien. Sie hatte mir von ihrem Gepäcktransfer erzählt. Halleluja, warum hatte ich sie nicht um eine Telefonnummer oder wenigstens um den Namen des Unternehmens gebeten? So könnten wir wenigstens morgen das Gepäck transportieren lassen und wären so etwas beweglicher. Wir würden alle Hände voll mit dem Wagen von Franzi zu tun haben. Was, wenn Franzi ausgerechnet morgen nicht in ihrem Wagen bleiben will? Dann kommen wir nie an! 30 Kilometer und diese Höhenmeter. Der alte Römerweg, von dem mein Mann seit Reisebuchung träumte. Bitte, lieber Gott, lass uns noch mal auf Maxi treffen.
Nach ungefähr eineinhalb Stunden erreichen wir Trabadelo. Wir legten eine kleine Pause ein. Gleich sprach ich das Problem des morgigen Weges an. Larissa meinte: »Kein Problem, geht ihr über den Pass und ich bleibe auf der Straße, welche auch die Radfahrer benutzen. Sollte etwas sein, hilft mir bestimmt jemand.« Na, wenn du dich da mal nicht täuschst mein, liebes Kind, ging mir durch den Kopf. »Meiner Meinung nach«, so gab ich zum Besten, »gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wir bekommen die Telefonnummer des Gepäcktransfers heraus, was sicher nicht schwer sein dürfte, oder ihr beide geht nur mit dem kleinen Tagesrucksack über den Pass. Ich nehme zusammen mit Franzi ein Taxi, unsere drei großen Rucksäcke, die Kinderkutsche und fahre die 30 Kilometer bis zum nächsten Ort. So könnt ihr die Passstrecke stressfrei bewältigen.« Beide meinten zwar, dass auch ich mich darauf gefreut hätte, was auch stimmte, natürlich wäre ich gerne zusammen mit Peter an dem Ort gewesen, worauf er sich am meisten freute. Aber was hätte ich denn für ein schlechtes Gewissen gehabt? Hätte den ganzen Tag darüber nachgedacht, dass ich einen der beiden im Stich ließ. Ginge ich mit Tochter und Enkelin die Straße entlang, um sie zu beschützen, ließe ich meinen Mann im Stich. Ginge ich zusammen mit
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