Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
mögen...«
     »Manchmal schon...«
     Ich blickte auf. Ich konnte im Augenblick nicht feststellen, wie sie das meinte. Ich hatte nichts gegen Ironie, wenn sie nicht gegen mich ging; aber ich hatte ein schlechtes Gewissen.
     »Also gehen wir«, sagte sie.
     Ich winkte dem Kellner. »Drei große Kognaks«, brüllte der Unglücksvogel mit einer Stimme, als wollte er einem Gast im Grabe die Rechnung machen. »Drei Mark dreißig!«
     Das Mädchen drehte sich um. »Drei Kognaks in drei Minuten? Ganz schönes Tempo!«
     »Es sind noch zwei von gestern dabei.«
     »So ein Lügner«, zischte die Athletin am Tisch hinter mir. Sie hatte lange geschwiegen.
     Ich wandte mich um und verbeugte mich. »Ein gesegnetes Weihnachtsfest, meine Damen!« Dann ging ich rasch.
     »Haben Sie Streit gehabt?« fragte mich das Mädchen draußen.
     »Nichts Besonderes. Ich habe nur eine ungünstige Wirkung auf Hausfrauen in gesicherten Verhältnissen.«
     »Ich auch«, erwiderte sie.
     Ich sah sie an. Sie erschien mir wie aus einer andern Welt. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, was sie war und wie sie lebte.

     Die Bar war sicherer Boden für mich. Fred, der Mixer, stand hinter der Theke und polierte gerade die großen Schwenkgläser für Kognak, als wir hereinkamen. Er begrüßte mich, als sähe er mich zum erstenmal und hätte mich nicht vor zwei Tagen noch nach Hause bringen müssen. Er hatte eine gute Schule und eine riesige Erfahrung hinter sich.
     Der Raum war leer bis auf einen Tisch. Dort saß, wie fast immer, Valentin Hauser. Ich kannte ihn vom Kriege her; wir waren in derselben Kompanie gewesen. Er hatte mir einmal durchs Sperrfeuer einen Brief nach vorne gebracht, weil er dachte, er wäre von meiner Mutter. Er wußte, daß ich darauf wartete, denn meine Mutter war operiert worden. Aber er hatte sich geirrt – es war nur eine Reklame für Kopfschützer aus Brennesselstoff gewesen. Auf dem Rückwege hatte er einen Schuß ins Bein bekommen.
     Valentin hatte einige Zeit nach dem Kriege eine Erbschaft gemacht. Die vertrank er seitdem. Er behauptete, das Glück feiern zu müssen, lebend herausgekommen zu sein. Es war ihm gleich, daß das schon eine Anzahl Jahre her war. Er erklärte, man könne es gar nicht genug feiern. Er war einer der Menschen, die ein unheimliches Gedächtnis für den Krieg haben. Wir andern hatten vieles vergessen; er aber erinnerte sich an jeden Tag und jede Stunde.
     Ich sah, daß er schon viel getrunken hatte: Er saß ganz versunken und abwesend in seiner Ecke. Ich hob die Hand. »Salü, Valentin!«
     Er blickte auf und nickte. »Salü, Robby!«
     Wir setzten uns in eine Ecke. Der Mixer kam. »Was möchten Sie trinken?« fragte ich das Mädchen.
     »Vielleicht einen Martini«, erwiderte sie. »Einen trockenen Martini.«
     »Darin ist Fred Spezialist.«
     Fred erlaubte sich ein Lächeln. »Mir wie immer«, sagte ich.
     Die Bar war kühl und halbdunkel. Sie roch nach vergossenem Gin und Kognak. Es war ein würziger Geruch, wie nach Wacholder und Brot. Von der Decke hing das holzgeschnitzte Modell eines Segelschiffs herab. Die Wand hinter der Theke war mit Kupfer beschlagen. Das gedämpfte Licht eines Leuchters warf rote Reflexe hinein, als spiegele sich dort ein unterirdisches Feuer. Von den kleinen, schmiedeeisernen Wandarmen brannten nur zwei – einer bei Valentin und einer bei uns. Sie hatten gelbe Pergamentschirme, die aus alten Landkarten gemacht waren, und sahen aus wie schmale, erleuchtete Ausschnitte der Welt.
     Ich war etwas verlegen und wußte nicht recht, wie ich ein Gespräch anfangen sollte. Ich kannte das Mädchen ja überhaupt nicht, und je länger ich es ansah, um so fremder erschien es mir. Es war lange her, daß ich mit jemand so zusammen gewesen war; ich hatte keine Übung mehr darin. Ich hatte mehr Übung im Umgang mit Männern. Vorhin, im Café, war es mir zu laut gewesen – jetzt, hier, war es plötzlich zu ruhig. Jedes Wort bekam durch die Stille des Raumes so viel Gewicht, daß es schwer war, unbefangen zu reden. Fast wünschte ich mich schon wieder ins Café zurück.
     Fred brachte die Gläser. Wir tranken. Der Rum war stark und frisch. Er schmeckte nach Sonne. Er war etwas, woran man sich halten konnte. Ich trank und gab das Glas Fred gleich wieder mit.
     »Gefällt es Ihnen hier?« fragte ich.
     Das Mädchen nickte.
     »Besser als in der Konditorei drüben?«
    »Ich hasse Konditoreien«, sagte sie.
     »Weshalb haben wir uns dann gerade da getroffen?«

Weitere Kostenlose Bücher