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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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alten, rührenden, hoffnungslosen Menschheitstraum Ewigkeit.«
     Gottfried lachte. »Die schlimmste Krankheit der Welt, Ferdinand, ist Denken! Sie ist unheilbar.«
     »Wenn es die einzige wäre, wärest du unsterblich«, erwiderte Grau. »Du Zusammenballung von Kohlehydraten, Kalk, Phosphor und ein bißchen Eisen, für eine flüchtige Zeit auf Erden Gottfried Lenz genannt.«
     Gottfried schmunzelte wohlgefällig. Ferdinand schüttelte den Löwenschädel. »Brüder, das Leben ist eine Krankheit, und der Tod beginnt schon mit der Geburt. Jeder Atemzug und jeder Herzschlag ist schon ein bißchen Sterben – ein kleiner Ruck dem Ende zu.«
     »Jeder Schluck auch«, erwiderte Lenz. »Prost, Ferdinand! Manchmal ist das Sterben verdammt leicht.«
     Grau hob sein Glas. Über sein großes Gesicht zog ein Lächeln wie ein lautloses Gewitter. »Prost, Gottfried, du munterer Floh auf dem rieselnden Geröll der Zeit. Was mag sich die geisterhafte Kraft, die uns bewegt, gedacht haben, als sie dich schuf?«
     »Das soll sie mit sich selbst abmachen. Im übrigen solltest gerade du nicht so abfällig über solche Dinge reden, Ferdinand. Wenn die Menschen ewig wären, würdest du arbeitslos, alter guter Parasit des Todes.«
     Graus Schultern begannen zu beben. Er lachte. Dann wandte er sich an Pat. »Was sagen Sie zu uns Schwätzern, kleine Blüte auf den tanzenden Wassern?«
     Später ging ich mit Pat allein durch den Garten. Der Mond war höher gestiegen, und die Wiesen schwammen in grauem Silber. Die Schatten der Bäume lagen lang und schwarz darüber wie dunkle Wegweiser ins Ungewisse. Wir gingen bis zum See hinunter und kehrten dann um. Unterwegs trafen wir Gottfried Lenz, der sich einen Gartenstuhl mitgenommen und ihn tief in ein Gebüsch von Fliedersträuchern geschoben hatte. Da saß er nun, und nur sein blonder Schöpf und seine Zigarette leuchteten heraus. Neben sich auf der Erde hatte er ein Glas und den Rest der Maibowle stehen.
     »Das ist ein Platz!« sagte Pat. »Mitten im Flieder.«
     »Es läßt sich aushalten.« Gottfried stand auf. »Versuchen
    Sie es mal.« Pat setzte sich auf den Stuhl. Ihr Gesicht schimmerte zwischen den Blüten. »Ich bin verrückt mit Flieder«, sagte der letzte Romantiker. »Heimweh bedeutet für mich Flieder. Im Frühjahr 1924 bin ich einmal Hals über Kopf aus Rio de Janeiro abgereist, nur weil mir einfiel, daß hier der Flieder blühen müsse. Als ich dann ankam, war es natürlich schon viel zu spät.« Er lachte. »So geht es immer.«
    »Rio de Janeiro?« Pat zog einen Zweig mit Blüten zu sich
    herunter. »Waren Sie zusammen da?«
     Gottfried stutzte. Mir lief es plötzlich kalt über den Rücken. »Seht mal den Mond!« sagte ich rasch. Gleichzeitig trat ich Lenz beschwörend auf den Fuß.
     Im Aufflammen seiner Zigarette sah ich ein schwaches Lächeln und ein Augenblinzeln. Ich war gerettet. »Nein, wir waren nicht zusammen da«, erklärte Gottfried. »Ich war damals allein. Aber wie wäre es mit noch einem letzten Schluck von diesem Waldmeistertrank?«
     »Nicht mehr.« Pat schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht soviel Wein trinken.«
     Wir hörten Ferdinand nach uns rufen und gingen hinüber.
     Er stand massig unter der Tür. »Kommt herein, Kinder«, sagte er. »Nachts haben Menschen wie wir nichts in der Natur zu suchen. Nachts will sie allein sein. Ein Bauer oder ein Fischer, das ist was anderes; aber wir nicht, wir Bewohner von Städten mit unsern abgesäbelten Instinkten.« Er legte Gottfried die Hand auf die Schulter. »Die Nacht ist der Protest der Natur gegen den Aussatz der Zivilisation, Gottfried! Ein anständiger Mensch hält das nicht lange aus. Er merkt, daß er ausgestoßen ist aus dem schweigenden Ring der Bäume, der Tiere, der Sterne und des unbewußten Lebens.« Er lächelte das sonderbare Lächeln, von dem man nie wußte, ob es nicht traurig war. »Kommt herein, Kinder! Wir wollen uns die Hände an Erinnerungen wärmen. Ach, die herrliche Zeit, als wir noch Schachtelhalme und Molche waren, so vor fünfzig-, sechzigtausend Jahren, Gott, wie sind wir seitdem heruntergekommen...«
     Er nahm Pat an der Hand. »Wenn wir nicht das bißchen Sinn für Schönheit noch hätten – dann wäre alles verloren.« Mit einer zarten Bewegung seiner riesigen Pranken legte er ihre Hand auf seinen Arm. »Silberne Sternschnuppe über dem sausenden Abgrund – wollen Sie mit einem uralten Manne ein Glas trinken?«
     Pat nickte. »Ja«, sagte sie. »Alles, was Sie

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