Drei Männer im Schnee
er.
»Ach richtig! Ich bin Ihnen noch eine Erklärung schuldig! Sie halten mich ja für einen Millionär, nicht wahr? Damit ist es allerdings Essig. Vor meinen Kreisen ist Bruckbeuren zeitlebens sicher. Ich war bis gestern arbeitslos. Da staunen Sie! Irgend jemand hat Sie zum Narren gehalten. Guten Tag, meine Herren!« Das Portal schloß sich hinter ihm.
»Es ist gar kein Millionär?« fragte der Direktor heiser. »Glück muß der Mensch haben, Polter! Menschenskind, das junge Mädchen hat uns verkohlt? Gott sei Dank! Wir waren bloß die Dummen? Einfach tierisch!«
Der Portier winkte aufgeregt ab. Plötzlich schlug er sich vor die Stirn. Es sah aus, als wolle er einen Ochsen töten. »Grauenhaft!
Grauenhaft!« rief er. »Das beste ist, wir bringen uns um!«
»Gern«, erklärte der Direktor, noch immer obenauf. »Aber wozu, bittschön? Es sind einige Gäste vor der Zeit weggefahren. Und? Ein junges Mädchen hat uns auf den Besen geladen. Das kann ich verschmerzen.«
»Die Geschichte bricht uns das Genick«, sagte der Portier. »Wir waren komplette Idioten!«
»Na, na«, machte Karl der Kühne. »Sie tun mir unrecht.«
Onkel Polter erhob lehrhaft den Zeigefinger. »Hagedorn war kein Millionär. Aber das junge Mädchen hat nicht gelogen. Es war ein verkleideter Millionär hier! Oh, das war furchtbar! Wir sind erschossen.«
»Nun wird mir’s zu bunt!« rief der Direktor nervös. »Drücken Sie sich endlich deutlicher aus!«
»Der verkleidete Millionär wurde von uns vor einer Stunde hinausgeworfen«, sagte der Portier mit Grabesstimme. »Er hieß Schulze!« Herr Kühne schwieg.
Der Portier verfiel zusehends. »Und diesen Mann habe ich die Eisbahn kehren lassen! Mit dem Rucksack mußte er ins Dorf hinunter, weil das Kind der Botenfrau die Masern hatte! Der Heltai hat ihn auf die Bockleiter geschickt! Oh.«
»Einfach tierisch!« murmelte der Hoteldirektor. »Ich muß mich legen, sonst trifft mich der Schlag im Stehen.«
Am Nachmittag wurde der bettlägerige Herr Kühne von einem Boy gestört.
»Eine Empfehlung vom Herrn Portier«, sagte der Junge.
»Ich soll Ihnen mitteilen, daß Frau Casparius mit dem Abendzug fährt.«
Der Direktor stöhnte weidwund.
»Sie käme nie wieder nach Bruckbeuren, läßt der Portier sagen. Ach so, und Herr Lenz aus Köln reist auch.«
Der Direktor drehte sich ächzend um und biß knirschend ins Kopfkissen.
Das neunzehnte Kapitel - Vielerlei Schulzes
In München hatte Doktor Hagedorn volle sechs Stunden Aufenthalt.
Er gab seinen Vulkanfiberkoffer am Handgepäckschalter ab. Dann ging er über den Stachus, die Kaufingerstraße entlang, bog links ein und nahm gegenüber der Theatinerkirche Aufstellung. Damit begann jeder seiner Münchner Besuche. Er liebte diese Kirchenfassade seit der Studentenzeit.
Heute stand er hier wie die Kuh vorm neuen Tor. Er dachte immerzu an Hilde. An Eduard natürlich auch. Das Bild der Kirche drang nur bis zur Netzhaut. Er steckte die Hände in den abgeschabten Mantel, lief in die Stadt zurück, saß, ehe er sich dessen versah, in einem Münchner Postamt und blätterte im Berliner Adreßbuch. Er studierte die Rubrik »Schulze«. Neben ihm lagen Notizblock und Bleistift.
Einen Werbefachmann Eduard Schulze gab es nicht. Vielleicht hatte sich Eduard als »Kaufmann« eingetragen? Hagedorn schrieb sich die einschlägigen Adressen auf. Was Hildegard anbetraf, war der Fall noch schwieriger. Welchen Vornamen hatte, um alles in der Welt, sein künftiger Schwiegervater? Und welchen Beruf? Man konnte doch unmöglich zu allen in Berlin wohnhaften Schulzes laufen und fragen: »Haben Sie erstens eine Tochter, und ist diese zweitens meine Braut?« Das war ja eine Lebensaufgabe!
Später sah sich Hagedorn ein Filmlustspiel an. So oft er lachte, ärgerte er sich. Glücklicherweise bot der Film nur wenige Möglichkeiten zum Lachen. Sonst wäre der junge Mann bestimmt innerlich mit sich zerfallen. Anschließend aß er in einem Bräu Rostwürstchen mit Kraut. Dann begab er sich zum Bahnhof zurück und hockte, Paulaner trinkend, im Wartesaal. Er war entschlossen, kühne Einfälle für künftige Reklamefeldzüge zu finden. Es fiel ihm aber auch nicht das mindeste ein. Immerzu dachte er an Hilde. Wenn er sie nun nicht fand? Und wenn sie nichts mehr von sich hören ließ?
Was dann?
Der Zug war nur schwach besetzt. Fritz hatte ein Abteil für sich allein. Bis Landshut lief er in dem Kupee wie in einem Käfig hin und her. Dann legte er sich lang, schlief sofort ein und
Weitere Kostenlose Bücher