Drei Männer im Schnee
kaufte er in einem Antiquitätengeschäft einen alten Zinnkrug. Für Hilde erstand er ein seltsam traubenförmiges Ohrgehänge. Es war aus Jade, mattem Gold und Halbedelsteinen. Im Blumenladen bestellte er schließlich für Tante Julchen einen imposanten Strauß und bat die Verkäuferin, die Geschenke ins Hotel zu schicken. Sich selber schenkte er nichts.
Anderthalb Stunden war er im Ort. Als er zurückkam, lag Kasimir, der unvergleichliche Schneemann, in den letzten Zügen. Der Konfitüreneimer, Kasimirs Helm, saß auf den Schultern. Augen, Nase, Mund und Schnurrbart waren dem geliebten Husaren auf die Heldenbrust gerutscht. Aber noch stand er aufrecht. Er starb im Stehen, wie es sich für einen Soldaten geziemt.
»Fahr wohl, teurer Kasimir!« sagte Hagedorn. »Ohne Kopf kann keiner aus dem Fenster gucken.« Dann betrat er das Grandhotel.
Hier war inzwischen mancherlei geschehen.
Das Unheil hatte harmloserweise damit begonnen, daß Geheimrat Tobler, seine Tochter, die Kunkel und Johann frühstückten.
Sie saßen im Verandasaal, aßen Brötchen und sprachen über das Tauwetter. »Wenn wir einen Wagen mithätten«, sagte Hilde,
»könnten wir nach München fahren.«
»Du darfst nicht vergessen, daß ich ein armer Mann bin«, meinte ihr Vater. »Wir werden eine Stunde kegelschieben. Das beruhigt die Nerven. Wo steckt übrigens mein Schwiegersohn?«
»Auf der Bank und auf der Post«, berichtete Hilde. »Wie haben Sie geschlafen, Kunkel?«
»Miserabel«, sagte Tante Julchen. »Ich habe entsetzlich geträumt.
Das hätten Sie aber auch nicht mit mir machen dürfen!«
»Was denn?« fragte Johann.
»Als Doktor Hagedorn erzählte, daß ihn die Toblerwerke engagiert hätten, ihn und den Herrn Schulze dazu, und der Hühnerknochen war so spitz, ich habe oben im Zimmer Tafelöl getrunken, es war abscheulich.«
»Wenn wir wieder einmal eine Überraschung für Sie haben«, sagte Johann, »kriegen Sie Haferflocken.«
»Das hat alles keinen Zweck«, erklärte der Geheimrat. »Dann verschluckt sie den Löffel.«
»Den Löffel legen wir vorher an die Kette«, meinte Hilde.
Frau Kunkel war wieder einmal gekränkt. Aber viel Zeit blieb ihr nicht dazu. Denn der Portier und der Direktor Kühne traten feierlich in den Saal und näherten sich dem Tisch.
»Die beiden sehen wie Sekundanten aus, die eine Duellforderung überbringen«, behauptete der Geheimrat.
Johann konnte eben noch »Dicke Luft!« murmeln.
Da machte Karl der Kühne schon seine Verbeugung und sagte:
»Herr Schulze, wir möchten Sie eine Minute sprechen.«
Schulze meinte: »Eine Minute? Meinetwegen.«
»Wir erwarten Sie nebenan im Schreibzimmer«, erklärte der Portier.
»Da können Sie lange warten«, behauptete Schulze.
Hilde sah auf ihre Armbanduhr. »Die Minute ist gleich um.«
Herr Kühne und Onkel Polter wechselten Blicke. Dann gestand der Direktor, daß es sich um eine delikate Angelegenheit handle.
»Das trifft sich großartig«, sagte Tante Julchen. »Für sowas schwärme ich. Hildegard, halte dir die Ohren zu!«
»Wie Sie wünschen«, meinte der Direktor. »Ich wollte Herrn Schulze die Gegenwart von Zeugen ersparen. Kurz und gut, die Hotelbetriebsgesellschaft, deren hiesiger Direktor ich bin, ersucht Sie, unser Haus zu verlassen. Einige unserer Stammgäste haben Anstoß genommen. Seit gestern haben sich die Beschwerden gehäuft. Ein Gast, der begreiflicherweise nicht genannt sein will, hat eine beträchtliche Summe ausgeworfen. Wieviel war es?«
»Zweihundert Mark«, sagte Onkel Polter gütig. »Diese zweihundert Mark«, meinte der Direktor, »werden Ihnen ausgehändigt, sobald Sie das Feld räumen. Ich nehme an, daß Ihnen das Geld nicht ungelegen kommt.«
»Warum wirft man mich eigentlich hinaus?« fragte Schulze. Er war um einen Schein blasser geworden. Das Erlebnis ging ihm nahe.
»Von Hinauswerfen kann keine Rede sein«, sagte Herr Kühne. »Wir ersuchen Sie, wir bitten Sie, wenn Sie so wollen. Uns liegt daran, die anderen Gäste zufriedenzustellen.«
»Ich bin ein Schandfleck, wie?« fragte Schulze.
»Ein Mißton«, erwiderte der Portier.
Geheimrat Tobler, einer der reichsten Männer Europas, meinte ergriffen: »Armut ist also doch eine Schande.«
Aber Onkel Polter zerstörte die Illusion. »Sie verstehen das Ganze falsch«, erklärte er. »Wenn ein Millionär mit drei Schrankkoffern ins Armenhaus zöge und dort dauernd im Frack herumliefe, wäre Reichtum eine Schande! Es kommt auf den Standpunkt an.«
»Alles zu seiner Zeit
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