Drei Seiten für ein Exposé
gleichklingende Namen, alle mit „M“. Nämlich Michael, Magda und Markus.
Übung
Suchen Sie sich jetzt ein Buch heraus, das Ihnen nicht gefallen hat, an das Sie sich aber gut erinnern (ich weiß, das ist schwierig). Entwerfen Sie dafür den Anfang eines Exposés. Lesen Sie möglichst nicht den Klappentext, auch nicht, was auf dem Schutzumschlag steht. Auch hier beginnen Sie ohne Begrenzung und streichen erst dann den Anfang auf zwei Sätze zusammen.
Ist das schwieriger als die vorige Aufgabe? Vermutlich. Möglicherweise können Sie gar keinen vernünftigen Anfangformulieren? Dann fragen Sie sich: Wie könnte dieses Buch beginnen, wenn es besser wäre? Was könnte ein sinnvoller Anfang sein, auch wenn das dem Buch nicht entspricht?
Was steht auf dem Spiel?
In Geschichten steht etwas auf dem Spiel. Die Seele des Faust im „Faust“. Die Jugendliebe in „Slumdog Millionaire“. Die Rettung der Juden in „Schindlers Liste“. Die Erinnerung an die eigene Identität in „Splitter“. Die Rückkehr in die Heimat in der „Odyssee“.
Was steht in Ihrem Manuskript auf dem Spiel? Natürlich können Sie mir jetzt sagen: gar nichts. Ich will nicht reißerisch schreiben, ich bin Literat.
Leider ein Irrtum. Sehen Sie sich die Literaturgeschichte an. In allen Werken, die überdauert haben, geht es um etwas. Um die Liebe in Shakespeares „Romeo und Julia“. Wer sagt, er wolle „nur Alltägliches“ schreiben, der lügt sich selbst in die Tasche. Selbst im Alltag geht es um etwas. Kommt mein Kind aufs Gymnasium? Gewinne ich die Liebe einer Frau? Werde ich den Job kriegen, den ich so gerne haben möchte? Ist der Knoten in meiner Brust Krebs?
Leben war immer schon lebensgefährlich, meinte Erich Kästner. Er hatte recht.
Wer sich der Frage nicht stellt, was in seiner Geschichte auf dem Spiel steht, hat möglicherweise gar keine. Oder weicht ihr aus. Jedenfalls sollten Sie die Frage beantworten, wenn Sie ein gutes Exposé schreiben wollen.
Beispiel: Zeitjunkie
Wer wünscht sich nicht, er hätte mehr Zeit als die 24 Stunden jeden Tag? Am liebsten zusätzliche Zeit, von der keiner etwas erfährt. Annette Pelmer wird dieses Glück von der Fee Mandragora beschert, und dennoch wünschte sie sich am Ende, sie hätte nie etwas von dieser Fee oder von dem Zeitmedaillon erfahren
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Annette Pelmer ist verheiratet und führt als dreifache Mutter das Leben einer gewöhnlichen Hausfrau mit überladenem Terminkalender, bis die Fee Mandragora sie mit ihrem ungewöhnlichen Geschenk inVersuchung führt. Ein paar zusätzliche Stunden per Knopfdruck. Wenn sich das Zeitfenster schließt, ist alles wieder wie zuvor
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Die Fee wettet mit ihr, dass sie sich über das Jahr hinweg von ihrem boshaften Mann und von ihren Kindern trennen wird; Annette hält dagegen, denn sie liebt ihre Kinder. Erst durch die Wette mit der Fee, die den Einsatz ihres Lebens fordert, begreift Annette allerdings, dass sie den Schlüssel zum Reich der unbegrenzten Möglichkeiten in Händen hält – ganz ohne Risiko. Sie nutzt das Wissen um die nahe Zukunft für spirituelle, sexuelle und ungewöhnliche Entdeckungen. Sie wird zum Zeitjunkie
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In der realen Zeit erfährt sie zunehmend ihr Dasein als angepasste Persönlichkeit, im gleichen Maße fällt es ihr schwer, diese Rolle zu erfüllen. Anfangs trennt sie ihren Dr. Jekyll und Mr. Hyde säuberlich
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Dann lernt sie durch ihre extremen Erlebnisse in den Zeitfenstern Klaus, den Polizisten, kennen und verliebt sich nach und nach in ihn. Er allerdings kann sich an sie nicht erinnern, denn außerhalb der Zeitfenster haben sie keinerlei Kontakt. Sie will ihm real begegnen, allerdings weiß sie nicht, was sie als Mensch und als Frau zu bieten hat, denn außer ihren Kinder gab es nichts in ihrem Leben. Er soll sie auch real kennen und lieben lernen. Dadurch allein entdeckt sie ihre Liebe zur Botanik und ihre Freude am Segeln
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Annette bedient das Medaillon lustloser und gezwungenermaßen durch die Wette
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Klaus will sie mit auf seine Reise um die Welt nehmen, ohne die Kinder und vor allem vor Ablauf der Jahresfrist. Annette ist jedoch einen Pakt mit der Fee eingegangen. Um sich zu befreien, muss Annette das Medaillon nutzen und ihren Mann ertragen oder die Wette und damit ihr Leben verlieren
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Lektorat
Manche Ideen sind einfach zu faszinierend. Da muss man doch ein Buch draus machen! Doch wie? Denn eine Idee ist zwar ein guter Kristallisationspunkt für eine Geschichte – aber eben noch keine Geschichte. Geheime
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