Drei Wunder zum Glück (German Edition)
andere Seite des Landes umziehen und astronomisch hohe Gebühren bezahlen musste? Die Fotos waren etwas, was sie aus Spaß und für sich selbst machte, um nicht durchzudrehen. Dafür brauchte sie keinen Uni-Abschluss. Geschweige denn lebenslange Schulden.
»Sie sagte, du wärst die talentierteste Fotografin, die sie jemals in ihrem Kurs hatte«, sagte Jasper geradeheraus und sah Hazel in die Augen. »Sie sagte, du siehst die Dinge anders als jeder sonst.«
Hazels Haut kribbelte. Es ging ihr immer durch und durch, wenn andere Leute über sie redeten. Nicht so sehr, weil man vielleicht etwas Nettes über sie sagte, sondern eher, weil man sie überhaupt bemerkte. Möglicherweise lag das daran, dass sie so oft umgezogen war oder dass sie sich schon so lange ein anderes Leben wünschte. Sie hatte immer wissen wollen, woher sie kam, wer ihre Eltern waren, wie sie aussahen oder was sie machten. Hazel hatte keine Ahnung, wer sie wirklich war; wie sollte dann jemand anders sie kennen?
»Ich habe versucht, das nicht als Beleidigung zu betrachten«, fuhr Jasper mit einem Lächeln fort. »Glücklicherweise soll New York ja eine ziemlich große Stadt sein. Meinst du, da ist Platz für uns beide?«
Jasper war bereits an der Filmhochschule in New York angenommen. Hazel hatte mit ihm an einem Kurzfilm für seine Bewerbung gearbeitet, dabei gestand er ihr, dass er schon immer gerne ein besserer Fotograf hatte sein wollen. Sie hatte seine Standfotos vom Set ziemlich gut gefunden – aber nichts gesagt.
»Jedenfalls …«, Jasper seufzte dramatisch, als sei es eine Herausforderung, mit ihr zu reden, und Hazel hatte keine Ahnung, warum er sich überhaupt solche Mühe gab, »… wollte ich mir gerade im SoMa die neueste Ausstellung ansehen«, erklärte er. »Ich glaube, es geht um Vögel. Oder um Bäume. Hast du Lust mitzukommen?«
»Kann nicht«, sagte Hazel und stieß verlegen mit der Spitze ihres Turnschuhs gegen den Rollständer. SoMa war die Abkürzung für South of Market, das Künstlerviertel San Franciscos, in dem Hazel sich auch schon öfter Galerien angesehen hatte. »Ich muss los.«
Jasper legte den Kopf zur Seite, und sein dunkler Haarschopf fiel ihm ins Gesicht. »Wie wäre es später? In der Nähe des Museums soll es ein richtig gutes Thai-Lokal geben.«
Jasper erzählte Hazel immer vom besten neuen Dies oder einem völlig überschätzten Das. Anscheinend bekam er wohl jeden Newsletter und hatte jedes RSS feed , was man sich nur vorstellen konnte. Hazel hätte nicht sagen können, ob er wirklich etwas mit ihr unternehmen oder nur zeigen wollte, wie viele Blogs er las.
»Kann nicht«, sagte sie wieder. »Hab schon was vor.«
Jasper nickte. »Ah so, okay.« Er klatschte in die Hände und lächelte wieder, seine Lippen formten ein großes Herz um seine perfekten weißen Zähne. »Dann morgen?«
Hazel blickte auf die Uhr, eine Digitaluhr aus Plastik, die sie in einem Einkaufszentrum in Santa Cruz gewonnen hatte. Es war beinahe Zeit, ihr Kleid abzuholen.
»Morgen?«, wiederholte sie, und ein winziger Hauch von Ungeduld schwang in ihrer Stimme mit. »Morgen ist Montag.«
»Eben.« Jasper grinste. »So fängt die Woche gleich richtig an.«
Hazel öffnete ihre Tasche und steckte ihre Kamera hinein.
»Hazel«, sagte Jasper leise.
»Ja?«, antwortete Hazel und zog eine unter dem Henkel der Tasche eingeklemmte Haarsträhne hervor. »Tut mir leid, ich hab’s nur … irgendwie eilig. Ich muss …«
»Eines Tages wirst du mir eine Chance geben müssen«, sagte Jasper leichthin und schaute ihr in die Augen.
Und prompt bekam Hazel heiße Wangen. Sie blickte noch einmal auf ihre Uhr, nur, dass sie diesmal nichts sah, außer ein verschwommenes Stück Haut und Plastik. »Okay«, sagte sie, zog ihre Tasche noch einmal die Schulter hoch und eilte davon.
»Okay?«, rief Jasper ihr nach, ein Lachen in der Stimme. »Dann also morgen?«
Hazel strich sich das Haar hinter die Ohren und betete, dass die Ampel grün würde, damit sie die Straße überqueren konnte. Nach einer Ewigkeit war es so weit. Während sie über den Zebrastreifen ging, rief sie über die Schulter: »Klar, wenn du meinst.«
Jasper drückte seine Hände über dem Kopf, als sei er ein Boxer im Ring.
»Ich nehme dich beim Wort«, rief er. »Wir sehen uns morgen!«
3
Im Ferry Building schloss sich Hazel erst mal in einer Toilette ein und hängte die ungeöffnete Kleiderhülle von Posey an die Tür. Sie starrte darauf und suchte nach Gründen, sie nicht zu
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