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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Poirot passt, heute Vormittag gegen Viertel nach zwölf einige Minuten für ihn erübrigen.«
    Ich gab die Botschaft an meinen Freund weiter.
    »Selbstverständlich werden wir heute hingehen, Hastings«, erklärte Poirot ohne Besinnen, worauf ich diesen Bescheid an die Telefonmuschel weitergab.
    »Sehr gut«, erwiderte die scharfe Stimme. »Heute Vormittag gegen Viertel nach zwölf.«

4
     
    I n einem Zustand angenehm prickelnder Erwartung erreichte ich mit Poirot das Haus Lord Edgwares in Regent Gate, ein imposantes Gebäude, in edlen, strengen Linien gehalten, ohne überflüssige Verschnörkelungen und Zierrat. Obwohl ich der Psychologie weniger verfallen war als Poirot, hatten die Worte, mit denen Lady Edgware ihren Gatten beschrieb, meine Neugier geweckt, und voll Spannung wartete ich nun darauf, welches mein eigenes Urteil sein würde. Auf unser Klingeln öffnete nicht etwa ein würdiger, weißhaariger Butler, wie es sich für ein Haus wie dieses geziemt hätte, sondern der schönste junge Mann, den man sich vorstellen konnte. Groß, blond, war er wie geschaffen, um einem Bildhauer für Hermes oder Apollo Modell zu stehen. Trotz seines guten Aussehens wirkte er durch die Weichheit seiner Stimme abstoßend auf mich. Irgendwie erinnerte er mich an jemanden, dem ich erst kürzlich begegnet sein musste und der mir dennoch nicht einfiel.
    »Bitte folgen Sie mir«, flötete er, als wir nach Lord Edgware fragten.
    Er führte uns an der Treppe vorüber zu einer Tür ganz hinten in der Halle und meldete unsere Ankunft mit derselben zarten, weichlichen Stimme, der ich instinktiv misstraute.
    Der Raum, den wir betraten, war die Bibliothek. Rings um die Wände liefen Bücherregale; die dunklen, schweren, aber geschmackvollen Möbel wirkten sehr feierlich, hatten jedoch nichts Gemütliches.
    Lord Edgware, ein stattlicher Fünfziger mit dunklem, grau meliertem Haar, schmalem Gesicht und verkniffenem Mund, erhob sich bei unserem Eintritt. Verbittert und reizbar sah er aus. Seine Augen hatten einen seltsam verschlossenen Blick. Auffallend wunderliche Augen!, dachte ich bei mir.
    »Monsieur Hercule Poirot? Captain Hastings?«, begrüßte er uns mit frostiger Zurückhaltung. »Nehmen Sie bitte Platz.«
    Wir folgten der Aufforderung. Durch das einzige Fenster drang verhältnismäßig wenig Licht in das Zimmer, und dieses Halbdunkel trug zu der kalten, ungastlichen Atmosphäre noch bei.
    Lord Edgware nahm einen Briefbogen auf, dessen Schrift ich unschwer als jene meines Freundes erkannte.
    »Ihr Name ist mir natürlich wohl bekannt, Monsieur Poirot. Wem ist er das nicht?« Hercule Poirot quittierte dieses Kompliment mit einer Verbeugung. »Allerdings begreife ich nicht, inwiefern Sie diese Sache angeht. Sie haben mir hier geschrieben, dass Sie mich wegen… meiner Frau zu sprechen wünschten«, schloss er, und die Erwähnung von Jane Wilkinson schien ihn Überwindung gekostet zu haben.
    »Jawohl«, sagte mein Freund.
    »Sie befassen sich doch, wenn ich recht unterrichtet bin, mit der Untersuchung von Verbrechen, Monsieur Poirot.«
    »Von Problemen, Lord Edgware. Gewiss, es gibt Probleme krimineller Art. Es gibt indes auch andere.«
    »So? Und welcher Art ist dieses?« Der Hohn in seiner Stimme war unverkennbar. Doch Poirot beachtete ihn nicht.
    »Ich habe die Ehre, mich mit Ihnen in Lady Edgwares Auftrag in Verbindung zu setzen«, sagte er liebenswürdig. »Lady Edgware wünscht die Scheidung.«
    »Das ist mir nichts Neues.«
    »Lady Edgwares Vorschlag ging dahin, dass Sie und ich die Angelegenheit erörtern.«
    »Es gibt nichts zu erörtern.«
    »Sie weigern sich also?«
    »Weigern? Aber ganz und gar nicht!«
    Was immer Poirot auch erwartet haben mochte – dies ganz bestimmt nicht. Selten oder nie habe ich meinen Freund so fassungslos gesehen wie in diesem Augenblick. Sein Unterkiefer fiel herab, seine Hände spreizten sich, seine Brauen schnellten in die Höhe: Er sah aus wie eine drollige Karikatur in einem Witzblatt.
    »Comment?«, schrie er. »Sie weigern sich nicht?«
    »Ihr Erstaunen ist mir rätselhaft, Monsieur Poirot.«
    »Ecoutez, Sie sind einverstanden, sich von Ihrer Frau scheiden zu lassen?«
    »Gewiss. Und sie weiß das sehr gut. Ich habe es ihr brieflich mitgeteilt.«
    »Brieflich?«
    »Ja. Vor sechs Monaten.«
    »Aber das verstehe ich nicht! Das verstehe ich wirklich nicht!«
    Lord Edgware schwieg.
    »Ich kam hierher in dem Glauben, dass Sie ein grundsätzlicher Gegner von Ehescheidungen seien.«
    »Meine

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