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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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brauchen wir uns nicht darum zu kümmern. Was macht es aus, weshalb er seine Ansichten änderte, solange es bei dieser Änderung bleibt?«
    »Madame, Sie mag es gleichgültig lassen, mich jedoch nicht.«
    Jane schenkte ihm keine Beachtung. »Hauptsache, ich bin frei. Endlich, endlich frei!«
    »Noch nicht!«
    Sie warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Also meinetwegen: Frei werde ich sein. Das kommt auf dasselbe heraus.«
    Poirot sah aus, als ob er hierüber anders dächte.
    »Der Herzog ist in Paris«, plauderte Jane. »Ich muss ihm sofort telegrafieren. Ha, seine alte Mutter wird fauchen!«
    Mein Freund erhob sich.
    »Ich bin entzückt, Madame, dass sich alles so wendet, wie Sie es wünschen.«
    »Adieu, Monsieur Poirot, und tausend, tausend Dank!«
    »Wofür, Madame?«
    »Nun, Sie waren immerhin der Bote, der mir die guten Nachrichten brachte, und das genügt mir, um dankbar zu sein. Undankbarkeit ist nie mein Fehler gewesen, Monsieur Poirot.«
    »Da haben wir’s«, sagte mein Freund, als wir im Fahrstuhl abwärts glitten, »der einzige Gedanke – sie selbst. Sie stellt keine Vermutungen an, sie wird von keiner Neugier gepeinigt, weshalb jener Brief sie nie erreichte. Obwohl in geschäftlicher Beziehung unleugbar pfiffig und schlau, besitzt sie doch nicht ein Gramm Verstand. Freilich, freilich – der liebe Gott kann einen ja auch nicht mit allen Gaben bedenken!«
    »Nur in Bezug auf Hercule Poirot machte er eine Ausnahme«, meinte ich leichthin.
    »Spotten Sie nur«, gab er gut gelaunt zurück. »Kommen Sie, mein Lieber, wir wollen am Ufer entlanggehen. Ich möchte nach Regel und Methode Ordnung in meine Gedanken bringen.«
    Ich schwieg diskret, bis das Orakel sich von selbst zum Reden bequemte.
    »Jener Brief scheint mir nicht geheuer«, sagte Poirot. »Und für dieses Problem gibt es vier Lösungen, Hastings. Die erste, dass er auf der Post verloren ging. Das kommt vor, wie Sie wissen. Jedoch nicht häufig. Nein, wirklich nicht häufig. Mit unvollständiger oder falscher Adresse versehen, würde er in der Zwischenzeit längst wieder beim Absender gelandet sein. Mein guter Hastings, je mehr ich überlege, desto mehr scheint mir diese Lösung nicht infrage zu kommen – obgleich sie natürlich die richtige sein kann.
    Lösung Nummer zwei: dass unsere schöne Dame schwindelt, wenn sie behauptet, den Brief nie erhalten zu haben. Möglich ist es. Oh, mit der kindlichsten Offenheit wäre sie imstande, Ihnen jede ihr Vorteil bringende Lügengeschichte zu erzählen. Aber ich sehe nicht, was das für ein Vorteil sein könnte! Wenn sie weiß, dass er sie frei gibt, warum schickt sie mich dann hin, damit ich es von ihm erbitte? Das ist doch widersinnig.
    Lösung Nummer drei: Lord Edgware lügt. Und wenn irgendjemand in der Sache lügt, dünkt es mich wahrscheinlicher, dass er es ist und nicht seine Frau. Aber warum einen Brief erfinden, der sechs Monate vorher abgesandt worden sein soll? Warum nicht einfach bejahend auf meinen Vorschlag antworten? Nein, hier glaube ich eher, dass er den Brief abgesandt hat; welche Gründe seine plötzliche Sinnesänderung herbeiführten, errate ich allerdings nicht.
    Somit wären wir bei der vierten Lösung angelangt: dass jemand den Brief unterschlug. Und hier begeben wir uns auf ein sehr interessantes Gebiet, das lässt Mutmaßungen aller Art zu, weil jenes Schreiben sowohl in England als auch in Amerika unterschlagen worden sein kann.
    Der Täter ist jedenfalls eine Person gewesen, die die Trennung dieser Ehe nicht wünschte. Ah, Hastings, ich würde unendlich viel darum geben, wenn ich nur ein bisschen hinter die Kulissen gucken könnte! Denn es steckt etwas dahinter – da bin ich sicher!«
    »Etwas«, fügte er nach einem Weilchen langsam hinzu, »von dem ich vorderhand nur einen winzigen Zipfel erhascht habe.«

5
     
    A m folgenden Tag – es war der dreißigste Juni – wurde uns morgens um halb zehn gemeldet, dass Inspektor Japp da sei und uns dringend sprechen wolle.
    Jahre lagen dazwischen, seit wir den Scotland-Yard-Beamten zuletzt gesehen hatten.
    »Ah, ce bon Japp!«, sagte Hercule Poirot. »Was mag er wollen?«
    »Hilfe«, knurrte ich. »Er hat sich in irgendeinem Fall festgefahren, und Sie sollen ihn wieder flottmachen.«
    Ich brachte Japp nicht die Nachsicht entgegen wie mein Freund. Dass der Inspektor dann und wann ein wenig geistigen Diebstahl an Poirots Ideen beging, verübelte ich ihm – da es dem kleinen Belgier bestimmt schmeichelte – weniger als sein

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