Dreizehn bei Tisch
öffnete sich ein zur Rechten gelegenes Zimmer, und eine junge Dame trat auf die Schwelle. Sie war schlank und dunkelhaarig. Sekundenlang sah sie mich bestürzt mit ihren braunen Augen an. Dann glitt sie wie ein Schemen geräuschlos ins Zimmer zurück, die Tür hinter sich schließend.
Einige Minuten später hielt Poirot ein vorüberfahrendes Taxi an und befahl dem Chauffeur, uns auf dem schnellsten Weg ins Savoy zu bringen.
»Einen solchen Ausgang unserer Unterredung mit Lord Edgware hätte ich mir nicht träumen lassen«, sagte er, als wir durch Londons belebte Straßen flitzten.
»Ich auch nicht«, pflichtete ich ihm bei und erzählte ihm, was ich beim Verlassen der Bibliothek gesehen hatte.
Er nickte langsam und nachdenklich.
»Ja, ich bin der Ansicht, dass er sich knapp an der Grenze des Wahnsinns befindet, Hastings. Dass er ferner manchen widernatürlichen Lastern frönt und dass sich unter dem frostigen Äußeren tief eingewurzelte grausame Instinkte verbergen.«
»Jetzt erscheint es mir selbstverständlich, dass seine beiden Frauen ihn verließen.«
»Richtig.«
»Poirot, haben Sie die dunkelhaarige, bleiche junge Dame bemerkt?«
»Ja, mon ami. Eine junge Dame, die einen verängstigten und durchaus nicht glücklichen Eindruck machte«, sagte er ernst.
»Für wen halten Sie sie?«
»Für seine Tochter. Er hat nämlich eine.«
»Ein trostloses, düsteres Heim für ein junges Mädchen.«
»Da haben Sie Recht, Hastings… Und jetzt werden wir die schöne Jane Wilkinson von den guten Nachrichten in Kenntnis setzen.«
Jane war zuhause. Sie ließ uns nach oben bitten, worauf uns ein Page bis zu ihrer Tür brachte.
Hier öffnete uns eine saubere, ältere Frau mit Brille und glatt gescheiteltem Haar. Aus dem Schlafzimmer rief Janes Stimme mit dem leicht heiseren Ton ihr etwas zu.
»Ellis… ist das Monsieur Poirot? Biete ihm einen Sessel an. Ich suche nur rasch einen Fetzen zum Anziehen.«
Jane Wilkinsons Fetzen war ein hauchfeines, loses Negligee, das mehr offenbarte als verbarg.
»Also?«, fragte sie gleich beim Eintreten.
Poirot erhob sich von dem zierlichen Louis-quinze-Sessel und küsste ihr die Hand. »Es steht über Erwarten gut, Madame.«
»Warum – was meinen Sie?«
»Lord Edgware ist mit der Scheidung einverstanden.«
»Wie…? Wie?«
Entweder war das ungläubige Staunen auf ihrem Gesicht echt, oder sie war wirklich eine außergewöhnlich begabte Schauspielerin.
»Monsieur Poirot! Sie haben es erreicht? Bei Gott, Sie sind ein Genie! Wie in aller Welt ist Ihnen das gelungen?«
»Madame, ich mag kein Lob einstecken, das ich nicht verdiene. Vor sechs Monaten hat Ihnen Ihr Gatte geschrieben, dass er seinen Widerstand aufgebe.«
»Was sagen Sie da? Mir geschrieben? Wohin?«
»Nach Hollywood, wie er mir erklärte.«
»Dieser Brief ist nie in meine Hände gelangt; er muss unterwegs verloren gegangen sein, Monsieur Poirot. Mein Gott, und ich bin in all diesen Monaten vor Grübeln und Kummer und aufreibenden Sorgen fast um den Verstand gekommen!«
»Lord Edgware scheint anzunehmen, dass Sie einen Schauspieler heiraten wollen, Madame.«
»Natürlich. So habe ich’s ihm dargestellt«, lächelte sie spitzbübisch. »Ah, Monsieur Poirot« – jäh war das Lächeln einem ängstlichen Ausdruck gewichen –, »Sie haben doch nichts über meine Beziehungen zu dem Herzog verlauten lassen?«
»Nein, nein, beruhigen Sie sich. Ich bin verschwiegen… Das wäre nicht gut gewesen, wie?«
»Verstehen Sie: Er ist eine heimtückische, grausame Natur, und wenn er wüsste, dass mir die Herzogskrone winkt, würde er mir fraglos ein Bein stellen. Einen Filmschauspieler – nun, den sieht er nicht für voll an. Trotzdem überrascht mich seine Bereitwilligkeit maßlos. Dich nicht auch, Ellis?«
Ich hatte bereits wahrgenommen, wie die Kammerfrau zwischen den beiden Zimmern hin und her ging, um verschiedene Kleider, die achtlos über die Stuhllehne geworfen waren, beiseite zu räumen, und hatte geglaubt, diese Beschäftigung diene ihr nur als Vorwand zum Horchen. Janes Frage aber ließ annehmen, dass die bescheidene, ältliche Hausangestellte ihr ganzes Vertrauen genoss.
»Wirklich, gnädige Frau. Der Herr muss sich bedeutend geändert haben, seit wir ihn verließen«, gab sie boshaft zur Antwort.
»Ja, das muss er allerdings«, stimmte ihr Jane Wilkinson zu.
»Sie verstehen seine Haltung nicht, Madame; sie bereitet Ihnen Kopfzerbrechen?«, hörte ich Poirot fragen.
»Und ob sie das tut! Aber eigentlich
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