Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
Vom Netzwerk:
im Geschäft gespeichert habe.«
    Griessel nickte. Er vermutete, dass Ndabeni seinetwegen so nervös war, als sei er hier, um ihn, den Schwarzen, zu beurteilen.
     Er würde das klarstellen müssen.
    »Ich werde Fredericks sagen, dass er gehen kann, schließlich wissen wir ja, wo wir ihn erreichen können.«
    »Schon gut, Vusi. Du brauchst nicht … Ich weiß es zu schätzen, dass du mir die Einzelheiten mitteilst, aber will nicht, dass
     du denkst … weißt du …«
    |18| Ndabeni berührte Griessel am Arm, als wolle er ihn beruhigen. »Schon okay, Bennie. Ich will was lernen.«
    Vusi schwieg einen Augenblick. Dann fügte er hinzu: »Ich will das nicht vermasseln, Bennie. Ich war vier Jahre lang in
Kayelitsha
. Ich will nicht dahin zurück. Aber das hier ist meine erste … Weiße«, sagte er vorsichtig, um bloß nicht rassistisch zu klingen.
     »Das hier ist … eine andere Welt.«
    »Ja, das ist es.« Griessel war nicht gut in so etwas, ewig rang er um die richtigen, politisch korrekten Worte. Vusi half
     ihm aus der Verlegenheit: »Ich habe versucht zu ertasten, ob sie etwas in den Hosentaschen hat. Vielleicht einen Ausweis.
     Aber ich habe nichts gespürt. Wir warten jetzt nur noch auf den Rechtsmediziner.«
    In den Bäumen zwitscherte schrill ein Vogel. Zwei Tauben landeten in ihrer Nähe und begannen sofort zu picken. Griessel sah
     sich um. Auf dem Kirchengrundstück stand ein Auto, ein weißer Toyota-Minibus. Er war auf der Südseite geparkt, vor einer zwei
     Meter hohen Backsteinmauer. Auf der Seite stand in großen roten Buchstaben das Wort
Adventure.
    Ndabeni folgte seinem Blick. »Die parken vermutlich nur aus Sicherheitsgründen hier«, meinte er und deutete auf die hohen
     Mauern und die geschlossenen Tore. »Ich glaube, die haben eine Agentur in der Langstraat.«
    »Kann sein.« Die Langstraat war das Zentrum des Rucksacktourismus am Kap. Viele junge Leute, Studierende aus Europa, Australien
     und Amerika, die billige Unterkünfte und Abenteuer suchten, kamen hierher.
    Griessel hockte sich wieder neben die Leiche, aber so, dass ihr Gesicht von ihm abgewandt war, denn er wollte weder die schreckliche
     Wunde noch ihre zarten Gesichtszüge sehen.
    Hoffentlich ist sie nicht auch noch eine Ausländerin, dachte er.
    Denn dann wäre wirklich der Teufel los.

|19| 2
    Sie war die Kloofnek-Straße entlanggelaufen und einen Augenblick unentschlossen stehen geblieben. Sie wollte sich ausruhen,
     Atem schöpfen und versuchen, ihre Angst unter Kontrolle zu bekommen. Sie musste eine Entscheidung treffen: Entweder wandte
     sie sich nach rechts, weg von der Stadt, in Richtung
Camps Bay
, wie der Wegweiser verkündete, oder nach links, mehr oder weniger in die Richtung, aus der sie gekommen war. Ihr Instinkt
     sagte: nach rechts, immer weiter weg von den Verfolgern, von den grauenvollen Geschehnissen der letzten Nacht.
    Aber genau damit würden sie rechnen, und es würde sie noch tiefer ins Unbekannte führen, weiter von Erin fort. Da wandte sie
     sich, ohne nachzudenken, nach links. Ihre Sportschuhe klatschten laut auf den Asphalt des nach unten führenden Weges. Etwa
     vierhundert Meter lief sie am rechten Rand der schmalen Straße entlang. Dann stolperte sie rechts einen steinigen Abhang hinunter,
     über ein pflanzenbewachsenes flacheres Stück, bis sie zu ihrer Erleichterung Higgovale erreichte, eine Siedlung hoch oben
     am Berg – große, exklusive Häuser mit üppigen Gärten, umgeben von hohen Mauern. Hoffnung keimte in ihr auf. Hier wartete die
     Normalität, hier wohnten Leute, die ihr helfen, die ihr Unterschlupf, Schutz und Unterstützung bieten konnten.
    Doch alle Tore waren geschlossen, jede Villa ein Fort, die Straßen verlassen so früh am Morgen. Der Weg hatte sich steil bergauf
     gewunden; ihre Beine versagten ihr den Dienst, konnten nicht mehr, und dann sah sie das offene Tor des Hauses rechts von ihr.
     Mit jeder Faser sehnte sie sich nach Ruhe. Sie warf einen Blick zurück, sah aber niemanden. Sie ging durch das Tor: eine kurze,
     steile Auffahrt, eine Garage, ein Vordach. Rechts wuchsen dichte Sträucher an der hohen Mauer. Das Haus lag linker |20| Hand, hinter einem Zaun aus Eisenstäben und einem geschlossenen Gittertor. Sie kroch in die Sträucher bis zu einer verputzten
     Wand, immer tiefer, ganz nach hinten, wo man sie von der Straße aus nicht sehen konnte.
    Sie sank auf die Knie, rutschte mit dem Rucksack an der Mauer herunter. Sie ließ den Kopf hängen, todmüde, die Augen geschlossen.
    

Weitere Kostenlose Bücher