Du denkst, du weißt, wer ich bin
entnervt wie möglich sehen wollte. »Das ist genauso gut wie Handschuhe.«
Bei dem funzeligen Licht trat ich auf etwas und wäre beinahe gestolpert. Direkt vor einer verschlossenen Tür lag noch eine Spraydose, in der Mitte zerdrückt, als hätte jemand brutal darauf getreten, immer und immer wieder.
»Das ist Oonas Zimmer«, sagte Miranda und zog mich grob weiter. »Mein Zimmer ist hier.«
Einen Moment stand ich im Türrahmen und versuchte, mir klar zu werden, was da gerade stattfand. Denn was ich vor mir sah, war mein eigenes Zimmer. Oder jedenfalls eine genaue Kopie davon. Rote Samtvorhänge hingen von der Decke, zusammengerafft mit denselben goldenen Kordeln, die ich in meinem Wahrsagerzelt zu Hause benutzte. Vollkommen identische Kissen waren überall verstreut, und der Teppich lag an derselben Stelle wie meiner. Sogar das Muster passte.
Miranda trat ein. »Entschuldige die Unordnung«, sagte sie leichthin, als ob dies das Einzige sein könnte, das mir an ihrem Zimmer komisch vorkam.
»Miranda! Du bist zurück.« Dallas lag auf dem Bett, so zerknittert und grau wie ein ungewaschenes Laken. Er starrte Miranda mit demselben freudigen Blick an, den Ralphy mir immer schenkte, wenn ich aus der Schule nach Hause kam – nur dass Ralphy nie aussah, als hätte er während meiner Abwesenheit gesoffen. Dallas schaffte es, auch mich anzulächeln. »Hallo du, kleine Ol. Lass mich dir etwas zu trinken einschenken.«
Dallas beugte sich über den Bettrand und holte einen Krug mit etwas teuflisch Blauem hervor. Seine Armmuskeln spannten sich an, als er die blaue Flüssigkeit in zwei Pappbecher kippte und sie uns hinhielt.
»Nicht für mich. Danke, Dal«, sagte ich und versuchte, witzig zu klingen. »Blau ist die Warnfarbe der Natur.«
»Olive ist gerade die totale Spaßbremse«, stichelte Miranda. »Sie hat total vergessen, wie man sich amüsiert.«
Dallas dachte darüber nach und fischte dann aus seiner Tasche eine kleine Flasche mit etwas Rotem. Er schüttete ein paar Tropfen davon in meinen Becher und reichte ihn mir.
»Jetzt ist es lila«, sagte er und strahlte, als würde dies alles klären. »Die Natur liebt Lila. Und das wirst du auch tun, kleine Ol, wenn du das hier erst probiert hast.«
Ich nahm den Becher. Der Geruch brannte. »Was ist das?«
»Zombie-Saft«, antwortete Dallas. »Er könnte Tote wecken.«
Dann ist er ja hier genau richtig , dachte ich. Betrunkene untote Menschen. Als er nicht hinsah, versteckte ich den Becher in einer Ecke.
Miranda klatschte in die Hände. »Es wird Zeit, dass wir jetzt Luxes neues Album aus der Taufe heben.«
»Das ist noch kein Launch«, sagte ich. »Vinnie und Pearl sind nicht hier.« Und was das angeht, überhaupt noch jemand.
Miranda spielte mit ihrem iPod – Katies iPod –, der in ein kleines Set von Lautsprecherboxen eingestöpselt war. »Warum sollten sie hier sein?«, fragte sie. »Sie sind nicht einmal mehr in der Band.«
Ich riss den Mund auf.
»Luxe ist über sie hinausgewachsen«, sagte Miranda, als ob sich das von selbst verstehen würde. Dann startete die Musik.
Zuerst fing es mit einer Sologitarre an, angeschlagen von einer unsicheren Hand. Dann kam Dallas’ Stimme hinzu. Ich hätte diese Stimme überall erkannt, selbst wenn sie so brüchig und zittrig war wie jetzt. Und dann kam eine weitere Stimme hinzu, dieses Mal eine weibliche. Sie sang anfangs sehr sanft, blieb im Hintergrund und harmonisierte gut mit Dallas. Aber als der Song fortschritt, übernahm die weibliche Stimme die Titelmelodie. Und ab da konnte ich auch den Text verstehen. Es ging um ein Mädchen: ein wunderschönes, unglaubliches, überwältigendes Mädchen. Die Art, für die man sein Leben lassen würde.
»Das bist du, stimmt’s?«, fragte ich Miranda. »Die da singt.«
Miranda hüpfte vor Freude in die Höhe. »Ich wollte dich überraschen. Bist du überrascht?«
Wie sollte ich – Miranda hatte sich bis dahin schon so viel genommen. Natürlich hatte sie auch versucht, mir Luxe zu nehmen.
Dallas hatte es irgendwie geschafft, sich in eine halbwegs stehende Position hochzuhieven. »Ich ordne an, dass wir tanzen«, sagte er und winkte Miranda zu. »Komm her zu mir, du supergeiles Ding, du.«
Dallas stolperte, fiel fast hin, konnte sich aber gerade noch fangen. Er lallte irgendetwas, schien den Text zu seinem eigenen Song nicht wirklich zu kennen. Dann fiel er beinahe wieder. Ich konnte kaum hinsehen, aber Miranda schien es nichts auszumachen. Sie kicherte und begann, um ihn
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