Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
Insel Schiermonnigkoog arbeitet, zieht 1898 auf Karls inständiges Bitten zu ihm, um ihm den Haushalt zu führen. Längst ist seine Gesundheit vollends zerrüttet und Gertruds Hilfe ist die Pflege zum Tod. Auch Lisbeth taucht noch in Karls letzten Lebenstagen auf. Ihre achtzehnjährige Tochter Constanze lässt sie nach dem Tod des Bruders eine Schneiderlehre abbrechen, um der erschöpften Gertrud beizustehen.
Varel ist ein Storm-Ort im kleinen Format. Karls Grab wird auf dem parkähnlichen, ungewöhnlich schönen Vareler Friedhof bis heute erhalten und gepflegt. Nach dem Tod ihres Bruders bleibt Gertrud viele Jahre in der kleinen Stadt am Jadebusen, sie ist Hausbesitzerin in der Mittelstraße 12, die 1908 in Moltkestraße umbenannt wird. Gustav Haase findet in Varel letzte Zuflucht und stirbt hier 1904. Gertrud verdient sich ihren Lebensunterhalt mit privatem Deutsch- und Französisch-Unterricht, sie widmet sich der Erinnerungsarbeit an ihren Vater, sie sammelt wertvolles biographisches Material, notiert aus den Erzählungen von Verwandten und Freunden ihres Vaters, schreibt die zweibändige Biographie »Theodor Storm. Ein Bild seines Lebens«, gibt Storms »Briefe an seine Braut«, »Briefe an seine Frau«, »Briefe an seine Kinder«, »Briefe an seine Freunde« heraus. Am 11. Januar 1924 meldet sie sich in Varel ab und zieht nach Husum. Dort wohnt sie zunächst bei ihrer Schwester Elsabe, deren Mann ein Jahr zuvor gestorben ist. Hier setzt sie ihre Storm-Arbeit fort. Die Bekanntschaft und Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Storm-Forscher Elmer Otto Wooley erweist sich für die weitere Storm-Forschung als kostbar und überaus fruchtbar. Auch wenn Getrud biographisches Material zugerechtgestutzt und verschleiernd veröffentlicht hat, ihr gebührt das Verdienst, es gewissenhaft aufbewahrt und zu treuen Händen übergeben zu haben. Sie erlebt noch einen ihr zu Ehren feierlich gestalteten siebzigsten Geburtstag. Sie stirbt nach längerer Krankheit und schwerer Operation 1936 in Husum.
Elsabe wohnt mit ihrer Familie viele Jahre in Posen, bringt fünf Kinder zur Welt, bevor sie nach dem Ende des ersten Weltkrieges mit ihrem Mann nach Husum zurückkehrt. Friederike lebt lange in Dessau, auch sie wird Mutter von fünf Kindern. Der Familien-Linie Friederike ist eine bekannte deutsche Schriftstellerin entsprungen: Ingrid Bachér, geboren 1930, die Urenkelin von Theodor Storm und Doris.
Doris hat zur einzigen leiblichen Tochter ein enges Verhältnis, oft reist sie nach Dessau, verbringt dort längere Zeit, dort stirbt sie auch. In der Todesanzeige vom 4. Februar 1903 heißt sie Frau Amtsgerichtsrat Dorothee Storm. Unterschrieben haben Tochter Friederike, die Stieftöchter, die Schwiegersöhne und siebzehn Enkel.
Die »Villa Storm« wird erst verkauft, nachdem Ernst kurz vor seinem dreiundsechzigsten Geburtstag, Weihnachten 1913, gestorben ist. Im Mai 1914 erwirbt sie der Hademarschener Kaufmann und Gemeindevorsteher Marcus Wohlers von den Erben, das sind Friederike, Gertrud, Elsabe, Lucie, Maria Storm, geborene Krause, die Witwe von Ernst Storm, und Constanze Haase, die Tochter der 1899 verstorbenen Lisbeth.
Im ersten Weltkrieg fallen Storms Enkelsöhne, Carl Friedrich Storm, der Sohn von Ernst Storm, 1914 in Belgien; die Söhne von Elsabe, Dr. med. Enno Krey und Helmut Krey, fallen 1915 in Russland bzw. Frankreich. Elsabes Enkel Gustav Mangels fällt im zweiten Weltkrieg in Belgien, und Hans Storm, ein Urenkel von Theodor, Enkel von Ernst Storm, stirbt 1940 ebenfalls den Soldatentod. Dieser Hans Storm, geb. 1920, war der Sohn des Kinderarztes Dr. med. Hans Storm, der 1886 in Toftlund geboren wurde als Sohn von Ernst Storm, und seiner Frau Maria. Er heiratete 1912 Anna Bettina Blumental, eine Jüdin. 1936 ließ sich das Paar scheiden. Anna Bettina Blumen-
tal, geschiedene Storm, wurde 1942 als Jüdin mit der Deutschen Reichsbahn von Essen über Düsseldorf ins Konzentrationslager Theresienstadt transportiert. Erfassung und Ausweisung kamen für sie völlig überraschend; Sohn Hans Storm, der für Führer und Volk im Alter von 19 Jahren zwei Jahre zuvor gefallen war, zählte nicht als Ausschließungsgrund. Sie durfte außer einem Handkoffer noch eine Wolldecke, ein Bettlaken, einen Regenmantel und einen Brotbeutel mit Proviant für acht Tage mitnehmen; in ihrem Handkoffer hatte sie hauptsächlich Winterbekleidung eingepackt, weil es hieß, dass die Winter in Theresienstadt ziemlich kalt seien. Dort starb sie am 13. Juni
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