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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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nach Westermühlen zu gelangen.
    Schneller und bequemer war der Weg nach Westermühlen über den südöstlich von Husum gelegenen »Lagedeich«, der auch heute noch Geest und Südermarsch voneinander trennt, eine über der Marschebene gelegene, befestigte Straße mit einem unmittelbar anliegenden Wassergraben, die die Südermarsch gegen das Regenwasser von der Geest schützt.
    Wer heute diese schmale Chaussee entlang radelt, der hat den weiten Blick auf Landschaft und Himmel wie zu Storms Zeiten: die gemächlich ansteigende Geest mit ihren Kornfeldern im Norden, die tief liegende, flache Südermarsch mit den Viehweiden im Süden. Wie zu Storms Zeiten zeigen sich in nördlicher Ferne die Kirchtürme von Mildstedt und Ostenfeld. Dort, wo der Lagedeich ein paar Kilometer vor Schwabstedt die Südermarsch im Süden und die Oldersbek-Niederung im Norden hat, sieht man in östlicher Ferne den Wald von Lehmsiek auf einer Geestinsel, an deren südlichem Rand das Städtchen Schwabstedt an der Treene liegt. Hinter dem Wald, unsichtbar, erstreckt sich das »Wilde Moor«, das in Storms Novelle »Draußen im Heidedorf« eine besondere Rolle spielt. Der Erzähler ist ein »Amtsvogt«, der einen ungelösten Todesfall aufzuklären hat. Er lässt sich in seiner Dienstkutsche in den kleinen Ort am Rande des Wilden Moores fahren und nimmt seine Ermittlungen auf.
    Nach Schwabstedt, das Storm von seinen Reisen aus der Kinderzeit kannte, das er später auf Dienstfahrten von Husum aus aufsuchte, verlegt er den Schauplatz seiner Novellen »Renate« (1877) und »Zur Wald- und Wasserfreude« (1878). In Schwabstedt hätte die Treene-Fähre das Stormsche Fuhrwerk übersetzen können und wenige Kilometer weiter östlich die Huder Fähre. Hätte man mit der Fresendelfer Fähre die Treene überquert, wäre man danach durch die Sorgeniederung gefahren, eine schwierige Etappe. Im Winter dürften Überschwemmungen die Reise ganz unmöglich gemacht haben. Man muss annehmen, dass der Kutscher den Weg wählte, der je nach Straßen- und Wettergegebenheiten der günstigste war. So oder so dürfte Storms Reiseweg von Husum nach Westermühlen etwa 48 Kilometer lang gewesen sein.
    Zu Storms Jugendzeit waren Schleswig-Holsteins Straßen unbefestigte Naturwege, sie galten als die miserabelsten in ganz Europa und verliefen, je nach Jahreszeit und Ackerbau, mal hier, mal dort; es gab weder Ortsschilder noch Wegweiser. Und doch wurde hier auf den Reisen ein Faden gesponnen, ein Faden für das Lebensnetz, an dem Storm sein Leben lang weiter spann: inspizierte, reparierte, hegte und pflegte.

Vaters Wurzeln
    Storms Vater Johann Casimir war der Sohn von Erbpachts- und Eigentums-Müller Hans Storm und der Tochter des Pastors Johann Casimir Claus (genannt Claussen) zu Hohn . Das berichtet Storm in seinen Erinnerungen. Erste Erbpächterin der Wassermühle in Westermühlen war Storms Ururgroßmutter Margarethe Storm gewesen; sie übernahm den Betrieb 1708, nachdem ihr Ehemann gestorben war. Die »Topographisch Militärische Charte des Herzogtums Holstein (1789–1796)« verzeichnet die Stormsche Wassermühle an der Stelle, wo die »Elsdorf Aue« die Dorfstraße von Westermühlen kreuzt.
    Wer auf »Erbpacht« wirtschaftete, verwaltete staatliches Eigentum. Wenn dem Staat die Bewirtschaftung eigener Grundstücke zu teuer erschien, dann verpachtete er neben Mühlen auch Schäfereien, Fährbetriebe und Bauernhöfe. Der Erbpächter zahlte Grundsteuern an den Staat und trug alle laufenden Kosten. Die Einnahmen gehörten ihm, und er konnte seine Erbpacht weiter vererben.
    So blieb die Wind- und Wassermühle von Westermühlen durch Vererbung in der Storm-Familie. Jeweils der älteste Sohn, der immer Hans hieß, übernahm den Betrieb. Als Theodor Storm geboren wurde, befand sich die Mühle in der Hand seines Großvaters Hans Storm III (1739–1820).
    Vater Johann Casimir (1790–1874) war das vierte Kind von Hans Storm III und seiner Frau Brigitta Cäcilia. Um den außergewöhnlichen Namen »Casimir« spann sich eine kleine Schauergeschichte, die Storm am 13. August 1873 in einem Brief an den Wiener Literaturkritiker Emil Kuh erzählt. Darin äußert er die Befürchtung, sein Urgroßvater, der Pastor Johann Casimir Claussen aus dem Nachbardorf Hohn, sei womöglich polnischer Abstammung, und sein richtiger Name sei unbekannt. Zwei Brüder, 2 polnische Offiziere , seien aus der alten Heimat angereist und hätten sich bei einem Besuch durch ungeheures Saufen ausgezeichnet. Es ist

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