Du + Ich - Wir Zwei, 4
Gesicht ist bleich, seine Augen sind verweint. Er fällt in meine Arme und umklammert mich mit all seiner Kraft. Er ist von oben bis unten klatschnass, sein zerzaustes Haar riecht nach Chlor, seine Kleidung klebt an seinem Körper. Ich versuche, ihn zu beruhigen, und bitte ihn, deutlicher zu sprechen, damit ich verstehen kann, was passiert ist. Ich bin kurz davor, in Panik auszubrechen. So habe ich ihn noch nie gesehen.
„Es tut mir leid … dass ich so bei dir aufkreuze … Ich glaube, ich habe ein bisschen zu viel getrunken.“
„Schhh … Alles wird wieder gut, Vadim.“
„Ich weiß nicht, was mich da geritten hat … Ich wollte erst gar nicht an deiner Tür klopfen, ich wollte dich nicht stören. Ich habe mich auf einen Liegestuhl gelegt und nachgedacht. Ich war ganz alleine. Und um einen klareren Kopf zu bekommen, bin ich ins Wasser gesprungen … ohne meine Klamotten auszuziehen … Scheiße, ich komme mir so lächerlich … so erbärmlich vor …“
Dieser Mann, der sonst so stark, so stolz ist, wirkt plötzlich so verwundbar. Er hat etwas Jugendliches an sich, das mich umhaut, mir unter die Haut geht. Ich will ihn vor allen Gefahren beschützen. Während ich sanft seinen Nacken streichle, versuche ich, mehr darüber herauszufinden, was ihn bedrückt.
„Sprich mit mir, Vadim. Wie bist du in diese Situation geraten?“
„Ich möchte schlafen … Einfach nur schlafen.“
„Komm“, sage ich leise und führe ihn zum Bett.
Ich ziehe ihm seine Kleidung aus. Mehrmals verliert er dabei fast das Gleichgewicht. Er zittert – vor Aufregung oder Kälte, ich weiß es nicht. Ich gehe ins Badezimmer, komme mit einem Handtuch zurück und reibe ihn schnell ab. Dann lässt sich mein Geliebter aufs Bett fallen. Er ist müde. Ich lege mich zu ihm, um mich an ihn zu kuscheln. Er schläft schnell ein. Sein Gesicht entspannt sich, sein Atem wird ruhiger.
Ich habe unseren Streit vergessen. Alles, was ich jetzt will, ist, dass der gequälte Mann, der in meinen Armen schläft, endlich seine Ruhe hat, dass er seine Dämonen und das Leiden, das ihm keine Ruhe lässt, loswird. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um ihm zu helfen. Ganz gleich welche Hindernisse ich dabei überwinden muss. Wir gehören zusammen, er und ich. Wir werden von einer unsichtbaren Kraft, von einem körperlichen und geistigen Bann miteinander verbunden, der uns ständig wieder zueinanderführt, wenn die Welt uns trennen will.
5. Gefährliche Drohung
Seine warmen Lippen berühren meine Schläfen leicht, als er mein Gesicht küsst. Ich stöhne, bin hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, seine Küsse zu erwidern, und der Lust, wieder einzuschlafen. Ein kurzer Blick auf den modernen Wecker, der auf meinem Nachttisch im
Sunset Marquis
steht: Es ist 06:09 Uhr. Ich seufze auf und tue so, als ob ich mein Gesicht im Kopfkissen vergraben würde. Vadim lächelt etwas und flüstert mir ins Ohr:
„Gestern Abend hast du dich um mich gekümmert. Jetzt bin ich an der Reihe …“
„Hm … Ich schlafe noch …“
Seine geschickten Hände streifen meinen Hals, wagen sich weiter hinunter, streicheln behutsam meine Brüste, meine Hüfte, meine Oberschenkel. Dann verlieren sie sich in meiner Vagina.
Hmm … Ja … Mach weiter …
Mein letzter Tag auf amerikanischem Boden könnte nicht besser starten … Bis auf eines: Seit diesem Morgen lässt mein Geliebter manchmal von mir ab, wobei er aber trotzdem an meiner Seite bleibt. Sein Verstand redet wirres Zeug daher. Ich sehe, dass er sich Sorgen macht, aber sein Lächeln, das er mir daraufhin schenkt, lässt mich alles wieder vergessen.
Als sich unsere Körper entspannt haben, hüpfen wir aus dem Bett. Vadim ruft den Room Service an, damit dieser ihm seine trockene Kleidung bringt – ich habe nämlich gestern Abend noch dafür gesorgt, dass sie gereinigt wird –, und beauftragt jemanden, der sich um mein Gepäck kümmern wird. Wir duschen zusammen und singen dabei aus vollem Hals. Vadims falscher Gesang vermischt sich mit meinem lauten Auflachen. Angezogen, hungrig und fix und fertig gehen wir auf der Melrose Avenue entlang, um brunchen zu gehen und die Fußgänger zu beobachten. Wir lachen, regen uns über sie auf, machen uns über sie lustig – jedoch auf nette Art –, als wir sehen, wie sie hintereinander herlaufen. Das haben wir auch schon vor zwölf Jahren immer gerne gemacht.
Gleichzeitig hoffen wir aber auch, dass wir noch die kalifornische Sonne genießen können, bevor wir
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