Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Dialoge inszeniert hatten, über die ich geschrieben hatte. Er hatte die Frage »Was ist damit nicht in Ordnung?« als Angriff verstanden, dem er etwas entgegensetzen musste. Er ist an sich ein friedliebender Mensch, also hatte er weggesehen, um seinen obligatorischen Gegenangriff abzumildern: Er hatte instinktiv das Gefühl, er müsste etwas Konkretes gegen die Krabben vorbringen, um meine Beschwerde zu rechtfertigen. (Er kämpfte für mich!) Ich hatte die Frage »Was ist damit nicht in Ordnung?« als Bitte um Information aufgefasst. Ich suchte ganz instinktiv nach einer Möglichkeit, etwas Zutreffendes zu sagen, ohne die Kellnerin ins Unrecht zu setzen. Vielleicht lag es daran, dass sie eine Frau war, dass sie auf meinen Ansatz freundlicher reagierte.
Auch Freundinnen oder Gruppen, denen ich von diesen Unterschieden erzähle, bestätigen mir, dass sie sich dadurch vorher unverständliche Verhaltensweisen jetzt erklären könnten. Eine Frau meinte zum Beispiel, dass sie endlich verstehen würde, warum ihr Mann sich weigere, mit seinem Chef über eine mögliche Beförderung zu reden. Er wollte es gern wissen, weil er sich im Fall eines negativen Bescheids eine andere Stellung suchen würde. Aber statt einfach zu fragen, saß er wie auf Kohlen, war gereizt, litt unter Schlaflosigkeit und sorgte sich um seine Zukunft. In Ermangelung anderer Erklärungen griff die Frau nach einer psychologischen: Ihr Mann musste wohl unsicher sein, Angst vor Ablehnung haben. Aber unsicher ist schließlich jeder, mehr oder weniger. Tatsächlich war ihr Mann ein durchaus selbstsicherer Mensch. Und sie, die sich selbst für mindestens genauso unsicher hielt wie ihren Mann, hatte nicht gezögert, zu ihrem Chef zu gehen und ihn zu fragen, ob er ihren befristeten Job in eine Festeinstellung umwandeln würde.
Nachdem sie erkannt hatte, welch zentrale Rolle Status in Männerbeziehungen einnimmt, konnte sie das Verhalten ihres Mannes verstehen. Einen Vorgesetzten zu fragen, wie die Chancen für eine Beförderung stehen, betont die hierarchische Struktur der Beziehung und erinnert beide daran, dass der Vorgesetzte die Zukunft seines Angestellten in der Hand hat. Die niedrige Statusposition machte diesem Mann schwer zu schaffen. Obwohl auch seine Frau nicht gerade begeistert war, ihrem Chef in der Rolle der Bittstellerin gegenübertreten zu müssen, setzte es in ihrem Kopf keine Alarmglocke in Gang wie bei ihrem Mann.
Eine Frau, die als Vertreterin tätig ist, hatte ähnliche Erkenntnisse und konnte sich jetzt endlich die verwirrende Veränderung erklären, die mit dem Leiter ihres Verkaufsteams vor sich ging, seit er zum Bezirksleiter befördert worden war. Sie war überzeugt gewesen, dass er einen perfekten Vorgesetzten abgeben würde, weil er jeder Autorität gegenüber immer eine gehörige Portion Respektlosigkeit gezeigt hatte. Als Teamleiter war er kaum daran interessiert gewesen, an den Konferenzen der Geschäftsleitung teilzunehmen, und er hatte sein Verkaufsteam stets ermutigt, auf ihr eigenes Urteil zu vertrauen. Seine Befugnisse hatte er eifrig dazu genutzt, Anweisungen von oben zum Vorteil seines Teams zu umgehen. Aber nach seiner Beförderung zum Bezirksleiter war dieser Mann nicht mehr wiederzuerkennen. Er erließ mehr Verordnungen, als man sich je hätte träumen lassen, und beharrte darauf, dass Ausnahmen nur auf Grundlage schriftlich einzureichender Anträge gemacht werden könnten.
Dieser Mann verhielt sich anders, weil er jetzt einen anderen Platz innerhalb der Hierarchie einnahm. Solange er sich der Autorität der Geschäftsleitung beugen sollte, hatte er alles getan, um diese Autorität zu schmälern. Jetzt jedoch, wo er diese Autorität selbst repräsentierte, tat er alles, um sie auszuweiten. Wenn er Sitzungen vermieden und Regelungen verspottet hatte, bedeutete das nicht, dass er die Hierarchie ablehnte, sondern eher, dass ihm seine unterlegene Position innerhalb dieser Hierarchie nicht behagte.
Wiederum eine andere Frau meinte, dass ihr endlich klar würde, warum ihr Verlobter, der sehr viel von Gleichberechtigung halte, ihr einmal zugeflüstert habe, dass sie leiser sprechen sollte. »Meine Freunde sind unten«, hatte er gesagt. »Ich möchte nicht, dass sie den Eindruck bekommen, du würdest mich herumkommandieren.«
Vielleicht ist das Klischee der »nörgelnden Frau« eine Folge des Wechselspiels der geschlechtsspezifischen Gesprächshaltungen; Frauen tun oft das, wozu man sie auffordert, während Männer sich oft
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