„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
Getränkeausgabe auf Blanche, als die noch ihre letzten Gäste abkassierte. Dann war ihre Schicht zu Ende und die beiden Schönheiten wollten zusammen mit Rebecca rüber ins P1. Sharon hatte Arpad vorgeschlagen, dass sie sich doch am besten gleich im P1 treffen sollten. Auf dem Weg dorthin zog sich Blanche – als Fahrerin! – im Auto um. Rebecca und Sharon sahen ihr begeistert zu, wie sie es schaffte, das schwarze Top während der Fahrt auszuziehen und den grauen, ärmellosen Rolli über den Kopf zu stülpen. An der Ampel vor dem Haus der Kunst drehte sie den Rückspiegel zu sich und zog sich die Lippen nach. Die ganze Fahrt hatte zehn Minuten gedauert und nun standen sie auf dem Parkplatz vor dem P1 . Der Parkwächter kannte die drei Mädels im Cabrio schon und winkte sie nach vorne durch. Dort bestachen sie ihn mit einem Whisky-Cola aus der Dose und einem Küsschen auf die Wange. Die drei Mädels sah ich schon von Weitem und bedeutete ihnen mit einem Handzeichen, dass sie an den dreißig Leuten, die vor dem Eingang warteten, rechts vorbeigehen und beim Ausgang reingehen sollten, an dem aushilfsweise Antonio stand, der ältere Bruder unseres Barista Gianni. Ich nickte Antonio zu, das war das Zeichen für ihn, die drei Bellas durchzulassen. Blanche war nicht anzusehen, dass sie unmittelbar zuvor noch in einer brechend vollen Saufkneipe gekellnert hatte.
Ich hatte die schwarz-goldenen Kordeln an den Pfosten, die ich unter der Woche vor die Tür stellte, durch vier Absperrgitter ersetzt. Zusammen mit der Hauswand bildeten die vier Gitter eine Art Vorgarten oder Freigehege. Zwischen Hauswand und erstem Gitter ließ ich einen halben Meter frei als Eingang. Als die drei Mädels im P1 verschwunden waren, stand ein Typ mit Sonnenbrille und Hut vor mir. So nah, dass ich seinen schlechten Atem riechen konnte. Knoblauch. Er kam mir bekannt vor und an seinen gefärbten Augenbrauen erkannte ich, dass es Mr. Friday war, der jeden verdammten Freitag in komplett anderer Montur daherkam: mit Melone, Cowboyhut, Baseballcap, Lederhose, Bermudas, Anzug oder Pelzmantel – ein gewisses Talent fürs Verkleiden war bei Mr. Friday sichtlich vorhanden. Mehr noch jedoch bewunderte ich seine Eloquenz und sein Durchhaltevermögen, immer wieder in komplett neuen Outfits zu erscheinen. Jedes Mal hatte er die zusammengerollte Süddeutsche Zeitung unterm Arm und eine Aktentasche dabei. Ich hätte zu gern gewusst, was da drin war. Vielleicht ein Kassettenrekorder, mit dem er unsere ausgiebigen Dialoge aufnahm? Das wäre im Falle der nächsten Kandidaten gar nicht mal so schlecht gewesen: Ingo und seine drei Begleiter.
Samstagnacht, gegen 1.00 Uhr – Ingo liebte den großen Auftritt und fuhr mit dem Camaro die Rampe neben der Freitreppe bis zum ersten Absperrgitter vor. Das Kennzeichen des Camaro konnte ich erkennen; es begann mit »HH«. »Ha ha said the clown« fiel mir dabei spontan ein, jener Songtitel von Manfred Mann, als ich beobachtete, wer da aus dem Auto stieg. Als Erstes sah man Ingos grüne Schlangenlederschuhe und seine roten Socken. Dann folgte Ingo in seiner vollen Größe in seinem Doppelreiher und seinem Rüschenhemd und danach seine Kumpane: Arpad, Freddy Four Fingers, den sie so nannten, weil er sich bei einer Abbitte gegenüber dem Yakuza-Boss Ichi dem »Yubitsume«, der Fingerverkürzung an seinem kleinen Finger, unterzogen hatte, und Judo-Jan, der bekannt dafür war, als Geldeintreiber alle Schuldner im Schwitzkasten zum Zahlen zu bringen. Wäre es besser gewesen, Karate-Kurt zu meinem Treffen mit dieser Geisterbahn-Crew dazuzuholen? Nun stand Ingo also vor mir und sagte: »Wir sind zu viert.« – »Sorry, aber das geht nicht, es ist zu voll«, brachte ich ihm entgegen. Ich konnte sehen, wie Ingo die Halsschlagader anschwoll und seine Wangen einen, ich würde sagen, Rosé-Farbton annahmen. Er schob seinen Kopf nach vorne, als wollte er mir etwas ins Ohr flüstern. Und wenn Männer zu flüstern beginnen, dann wird’s schlimm: entweder peinlich, falls der Flüsterer sich als pubertierender Pickelträger entpuppt, oder aber tödlich, falls der Flüsterer der Pate ist und dann die Killeransage macht. »Das hättest du nicht tun sollen«, raunzte mir Ingo ins Ohr, »dadurch verlierst du deinen …«, er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn ich fiel ihm ins Wort: »Ja, ja, ich weiß schon, ich verlier meinen Job!« Doch Ingo meinte nicht meinen Posten, er meinte tatsächlich meinen Kopf. Wie ich später von einem
Weitere Kostenlose Bücher