„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
die Nadel für den letzten Stich aus Rachegelüsten sicher tief in meine Stirnhaut rammen. Who the fuck is she? »Du weißt es wirklich nicht, oder?«, witzelte sie. »Nein, echt nicht, ich weiß es ehrlich nicht.« Ich musste wohl den Eindruck eines Volldepps hinterlassen, so saudumm wie ich mich anstellte. Schließlich gab sie mir den entscheidenden Tipp: vom Klo! »Wow, du warst das?«, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Langsam kam meine Erinnerung zurück, die Erinnerung an letzten Donnerstag in der Herrentoilette vom P1 .
Genau dort hatte die dicke Sofie das Sagen, sie führte ihr Regiment mit Zuckerbrot und Peitsche und alle liebten sie dafür. Auf dem kleinen Nachttisch, den sie immer mit Deo, Haargel, Zahnseide und Parisern auffüllte, drapierte sie jeden Abend ihr selbstgehäkeltes eierschalenfarbenes Deckchen, auf das die Benutzer ihr Toilettengeld legen sollten. Tom Cruise hatte sich ihr mehr als zehn Minuten lang gewidmet, als er bei der Premierenparty zum Deutschland-Start von Minority Report auf den Lokus musste. Wir fragen uns heute noch, worüber die beiden wohl geredet haben, da Sofie kein einziges Wort Englisch konnte. Eines Sommertages hatte ihr ein sehr bekannter Fußballer, der sehr viel Zeit im P1 an der Bar von Maike verbrachte, ein Flugticket nach Gran Canaria geschenkt. Sie hatte sich so sehr auf die Reise gefreut, aber sie musste in München wieder aussteigen, weil sie die Stewardess k. o. gehauen hatte, als diese ihr zwei Literflaschen Sliwowitz abnehmen wollte. Es gab Abende, da lagen fünfhundert Mark auf ihrem Häkel-Plaid, und angeblich wurde sie von Stammgästen dabei gesehen, wie sie sich bei einem Juwelier an der Maximilianstraße eine sündteure Armbanduhr gekauft hatte: Noblesse toilettique.
In dem Moment, als ich in die Herrentoilette kam, war Sofie wohl selbst mal austreten. Ich platzte in die Szene, just als Cloé Richter ihrem Lover zu verstehen gab, seine Jeans wieder über seinen kleinen Hintern hochzuziehen. Peinlich war es ihr nicht. Okay, Frau Doktor, wir kennen uns also vom Waschraum-Sex. Als diensteifriger Türsteher hätte ich Cloé und ihren Lover eigentlich rausschmeißen müssen, aber hey, in Wahrheit fanden wir es alle geil, wenn es tolldreiste P-1-Menschen auf den Toiletten trieben. Ficken ist immerhin besser als koksen. Angeschoben hatten die Klo-Nummern immer die Ami-Models aus Kansas oder Milwaukee, so wie Mitch und Dash, die jeden Abend in ihren zerfetzten Hemden auf der – wie wir sie nannten – Big Bar standen und auf dem alten Strohbesen aus der Putzecke Luftgitarre zu »Why did you do it?« von Stretch spielten, während sie mit der Brünetten aus Ramersdorf schon mal das nächste Klo-Date klarmachten.
Oder Joe, das Model aus Sacramento: Der trieb es mit der Luftgitarre damals so weit, dass der abschließende Luftsprung seines E-Gitarren-Solos zu »Eye of the Tiger« von Survivor auf den Steinplatten der P-1-Tanzfläche mit einem Knöchelbruch endete. Wahrscheinlich war er es, den ich zuvor beim Vögeln in der Männerkabine erwischt hatte mit eben jener Notärztin, die mich später im Krankenhaus behandelte.
Der narzisstische Modelkult zog seine weiten Kreise bis in die Terminplaner der Agenten und PR-Manager von Promis und Starlets, die ihre Häschen und Wunderknaben ins P1 schickten, als wären es Castings und Go-Sees für Talkshow-Moderatoren oder Glücksrad-Hostessen. Cloés Chancen für das WC-Girl des Monats standen sicher nicht schlecht und ihr Talent und ihre Fingerfertigkeit für die fachgerechte medizinische Behandlung meiner Stirnwunde konnte ich ihr nicht absprechen. »Wie ist das denn eigentlich passiert?«, fragte Cloé. »Das willst du doch nicht wirklich wissen«, gab ich ihr mit, als schon der nächste Patient, einer mit gebrochener Nase, in ihr Behandlungszimmer torkelte. ’N Abend Kollege.
DJ Speedy hatte gerade die Maxi-Single »Ma foom bay« von Cultural Vibe aufgelegt und die Tanzmäuse kreischten bei den ersten Beats, die hämmerten und dröhnten, und jeden Muskel im Körper zucken ließen. Speedy leuchtete mit einem kleinen Handscheinwerfer immer von seiner DJ-Kanzel im ersten Stock auf die Tanzfläche und suchte sich mit dem hellen Lichtstrahl eine Auserwählte, um sie dann in seine Kanzel zu holen und sie dem Publikum als DJ-Groupie zu präsentieren. Irgendwie ging es dann los, kein Mensch wusste genau, wo es herkam, aber auf einmal war es da. Man spürte regelrecht, dass etwas nicht in Ordnung war, es lag Unruhe
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