„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
Wichskabinen vorbeimusste, bevor man in den Hauptraum kam. In dem drehten dann auf der mittigen Rundbühne, die an der Kante mit Plastikgirlanden geschmückt war und die im roten, schummrigen Scheinwerferlicht schlichtweg dreckig aussah, zwei polnische Mädchen in Schuluniform gelangweilt ihre einstudierten Pirouetten auf Murray Heads »One Night in Bangkok«.
Freitagabend, gegen 21.00 Uhr: Im Münchner Bahnhofsviertel trafen sich die Hamburger Loddels an der Hotelbar von Helgas Pension in der Schillerstraße. Angeblich – so hatten die Hamburger gehört – hätten dort ein paar von den jungen angehenden Akademikerinnen ein Zimmer auf Dauer gemietet, über die Helga ihre schützende »Mutterhand« halten würde. Das war in diesem Gewerbe in manchen Situationen Gold wert. Ingo wusste ganz genau, dass der Weg zu den Girls nicht an Helga vorbeiging. Deshalb versuchte er auch, mit ihr mitzuhalten, und schüttete sich mit ihr einen Whiskey nach dem anderen rein, als Sharon die Treppe herunterkam und dabei Ingo fast in die Arme lief. »Ich geh kurz rüber und besorg eine Pizza«, sagte Sharon. »Alles klar, mein Liebchen, bring mir eine ›Salami‹ mit«, gab ihr Helga mit auf den Weg. Sie nickte mit ihrem Kopf in Richtung Sharon, die gerade durch die Tür verschwand, und gab Ingo somit zu verstehen, dass Sharon eines der Mädchen sei, für die sie sich interessierten. Als Sharon zehn Minuten später zurückkam und sich auf eine Couch setzte, die genauso aussah, wie bei Ingo zu Hause, nur wesentlich sauberer, wies Ingo Arpad, den hübschesten seiner Kollegen, an, sich neben Sharon aufs Sofa zu gesellen. Arpad gehorchte und brachte seinen ganzen südländischen Charme auf, der ihm schon als 16-Jähriger in seiner ligurischen Heimat Dutzende heiße Hasen und Stunden beschert hatte. »Schmecke de Pizza?«, leitete er die Turtelei mit Sharon ein. Sein schwerer Ledermantel, den er für zehntausend Lire auf dem Wochenmarkt in Ventimiglia ergaunert und dann selbst mit einem Markenetikett ausstaffiert hatte, um ihn als sündteuren Mantel in den nächsten zwei Wochen weiterzuverscherbeln, hatte sich in seinem Rücken derart in Falten gelegt, dass er völlig schief dasaß und deshalb immer näher an die schöne Sharon heranrücken musste. Ihr schien es nicht zu missfallen. Arpad sah nun wirklich süß aus mit seiner schwarzen Ponyfrisur und seinen strahlend blauen Augen.
Freitagabend, gegen 22.00 Uhr – Sharon wollte nach der Pizza unbedingt ausgehen, es war ja noch nicht mal Mitternacht. »Wohinne wolle du gähene heute Abende?«, versuchte Arpad freundlich herauszufinden. »Mal sehen«, sagte Sharon, »was die Nacht so bringt. Erst hol ich Blanche im Roses ab, dann gehen wir noch ins P1.« Sharon hätte wohl schon gerne ihren Italolover Arpad in jener Nacht wieder getroffen, aber nicht mit Ingo und den beiden anderen im Schlepptau, zumal sich die drei auch als hundertprozentige Problemfälle an der Tür herausstellen würden, mit denen man schon beim Roses wahrscheinlich keine Chance hätte.
Das Roses an der Leopoldstraße war zu jener Zeit der neue Hort der Dekadenz, der Ofen zum Vorglühen fürs Parkcafé und das P1. Ich war ein paarmal mit Rebecca dort und selbst sie hatte sich immer fürs Roses so aufgebrezelt, als hoffte sie, dort endlich ihren Traumprinzen zu finden. Angreifen, abfeiern, ausrasten. Alle haben sich im Roses vor dem Abflug ins P1 getroffen. Fletcher, der Opern singende Strafrechtler aus Bogenhausen, hatte da jeden Freitag seinen Tisch, dort playboyten sie rum und verabreichten den leichten Mädchen Champagner gleich magnumweise. Nach ein paar Flaschen fing Fletcher an, den Papageno mit der für ihn typischen Falsettstimme zu geben, indem er auf dem Tisch mit einem Bein in die Nachos eines stadtbekannten Paparazzo trat und mit dem anderen Rebeccas Caipirinha auf dem Schoß von Arnold B., dem Industriellensohn, platzierte. Da half dem Jungen auch die schwarze Kreditkarte nichts: Er sah aus, als habe er in seine Hose gepisst. Jetzt kam Stimmung auf. Hotelerbinnen, einschlägig bekannte Tennisspieler und Fußballstars, Ex-Freundinnen und ein Rattenschwanz blasierter Bedeutungsloser traten auf die Jet-Set-Bühne und spielten ihre Rollen.
Freitagabend, gegen 23.00 Uhr – Rebecca kannte Blanche schon seit ein paar Monaten. Blanche war aus Berlin gekommen, absolvierte gerade ein Trainee-Programm bei Baum & Co. und verdiente sich als Kellnerin im Roses einige Kohle nebenher. Sharon wartete schon an der
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