„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
eingekesselt. Zum Glück reichten mir beide nur bis zur Schulter, denn sie schauten ziemlich böse, als ich ihr Angebot ausschlug, ein kleines Päckchen mit weißem Pulver von ihnen zu kaufen. Meine beiden Hände waren ja mit Pinkeln beschäftigt, also schüttelte ich vehement den Kopf, um ihnen klarzumachen, dass ich an diesem Abend das süße Leben doch eher mit Zitronenschnaps als mit verschnittenem sizilianischen Koks genießen wollte. Natürlich gefiel ihnen das gar nicht und genau als sie überlegten, wie sie mir an die Wäsche gehen konnten, stolperte lauthals singend mein Freund Gianni durch die Tür des Männerklos. Ich habe erst viel später verstanden, was dann eigentlich abging. Die beiden Sizilianer sahen Gianni ankommen, rissen die Augen verängstigt auf, sprangen gleich mal einen Meter zurück, sodass der eine mit seinem Hintern im Waschbecken landete. Mir kam es so vor, als würden sie sich letztendlich vor Gianni verneigen; dann flüchteten sie schnurstracks ins Getümmel auf der vollbesetzten Tanzfläche. Erst am nächsten Tag erfuhr ich, dass Giannis Onkel den Verkauf von Alkohol und anderen Muntermachern nicht nur an seiner örtlichen Beachbar, sondern an der gesamten Küste bis Palermo kontrollierte, und dass er und sein Neffe aus Deutschland manchen Orten stichprobenartige Besuche abstatten würden. Vielleicht erzählte uns Gianni deshalb nie etwas von seinen sizilianischen Verwandten.
Gianni war mit Abstand der verrückteste Barista Münchens. Seine kleine Kaffeebar im P1 zwischen der Garderobe und dem Herrenklo war für ihn sein Hort, sein Rückzugsort. Dort bereitete er die besten Roastbeef-Baguettes der Stadt zu und servierte einen Latte wie von einem anderen Stern. Seine Bar sah mittlerweile aus wie ein Schrein aus Pin-up-Postern, Abziehbildern und Fußballsammelkarten. Die Bildchen mit Unterschriften hatte er von den Balljongleuren selbst bekommen, als sie an seiner Bar waren und feierten: Romário, Roberto Baggio, Klinsmann. Neben Giannis Bar stand deshalb auch der Tischkicker. Wir spielten immer nach dem Arbeiten um einen Haufen Kohle. Am besten war es, wenn Gianni mit Frauen kickerte. Eines Tages waren besonders gute Hasen am Kickern, was nicht nur an Gianni lag, sondern an der Tatsache, dass seit etwa einer Stunde ein treffsicherer Schwarzer mit nach oben eingedrehten Löckchen an den Drehstangen des Fußballtisches herumwirbelte. Wie wir erfuhren, hieß er Artis Leon Ivey Jr., a. k. a. (also known as) Coolio. Er war gerade in München um seine neue Single zu promoten: »Gangsta’s Paradise«. Seinen Künstlernamen Coolio hatte sich der amerikanische Rapper übrigens zugelegt, als ihn beim Einstudieren neuer Songs jemand fragte, ob er sich für Julio Iglesias halte. Wahrscheinlich kannte er den spanischen Schmachtonkel gar nicht und bevor er sich nun cooler Julio nannte, machte er lieber Coolio draus.
Nach ein paar Zu-null-Spielen zugunsten Coolios war es fünf Uhr morgens und DJ Speedy hatte schon die Musik abgedreht. Es waren nur noch ein paar Groupies und Barkeeper da, als wir Gianni von Weitem schreien hörten, als hätte er ein Messer in den Hintern gerammt bekommen. Wir rannten los und fanden ihn an der Eingangstür. Völlig verwirrt zeigte er durchs Türfenster nach draußen, wo wir im Schein der Straßenlaterne eine dunkle Gestalt herumhuschen sahen. Nachdem sich Gianni wieder beruhigt hatte, versuchte er, uns klarzumachen, dass der Unbekannte da draußen eine Waffe in der Hand hielte und mit dieser bereits auf ihn gezielt habe, dass das doch nicht ginge, und dass er seitdem hier unter dem Türfenster sitze und schreie und sich nicht vom Fleck bewegt habe. Ich schaute Kurt an, der mit hergeeilt war, Kurt schaute mich an, und wir sahen Gianni an, der uns jedoch nicht ansehen konnte, weil er die Augen geschlossen hielt. Vorsichtig hoben Kurt und ich unsere Köpfe und spähten nochmals durch das kleine Fensterchen nach draußen. Der Typ war tatsächlich noch da und fuchtelte mit etwas herum, das wirklich aussah wie eine Pistole. »Okay, holen wir die Bullen.« Kurt hatte eine Entscheidung getroffen. Er wählte die 110, erklärte dem Mann am anderen Ende der Leitung, dass jemand mit einer Waffe vorm P1 stehe und dann warteten wir. Zwei Minuten. Fünf Minuten. Gianni wurde ganz blass, als er das Wort Polizei hörte, da er auf einmal nicht wusste, wo er seine Ecstasy-Pille verstecken sollte, die er in seinem Mülltüten-Gürtel eingewickelt hatte. Schließlich schluckte er sie
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