Du Mich Auch
von sich und bewunderte ihre frisch lackierten Zehennägel. Auch sie war massiert und mit Musik beschallt worden. Noch dazu gepeelt, enthaart und manikürt. Wie ungewohnt. Und wie herrlich. Warum war sie nie selbst auf die Idee gekommen, sich einmal verwöhnen zu lassen? Immer hatte sie nur ihre Familie verwöhnt. Damit war jetzt Schluss.
Angestrengt studierte sie die Speisekarte. »Soll ich einen Salat nehmen?«, fragte sie. »Wäre doch mehr als angebracht.«
»Abspecken kannst du immer noch«, widersprach Beatrice. »Ich esse jedenfalls das Seeblick-Schlemmermenü. Acht Gänge, acht Weine und zum Schluss die Rohmilchkäseplatte Brandenburg.«
»Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?«, fragte Katharina.
»Nö«, befand Beatrice. »Das sollten wir uns alle antun. Wir haben lange genug gehungert. Ich klingle mal beim Zimmerservice durch, damit sie in der Küche losschnippeln können.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie den Hörer vom Haustelefon ab und bestellte. Dann ließ sie sich zufrieden aufs Sofa sinken.
»Das achtgängige Schlemmermenü …«, sagte Evi beeindruckt. Ein Strahlen breitete sich auf ihrem runden Gesicht aus. Dann wurde sie ernst. »Eigentlich kann ich mir so was doch nicht leisten. Ich schleppe schon so viel Hüftgold mitmir rum, dass ich bald nur noch Umstandskleider tragen kann.«
Beatrice grinste. »Mach dir keine Gedanken, Sweety, zieh’s einfach durch. Später gebe ich dir die Adresse von meinem Doc, der saugt dir alles von den Hüften, was du dir hier anfutterst! Und wenn du brav bist, spritzt er es dir anschließend in die Lippen!«
»Was hast du eigentlich alles schon machen lassen?«, erkundigte sich Katharina neugierig.
»Frag lieber, was ich noch nicht habe machen lassen«, antwortete Beatrice. »Ich würde es eine Generalüberholung nennen.«
Detailliert berichtete sie von den Treatments, die sie hinter sich hatte. Von der Lidstraffung, den Botox-Spritzen, den aufgepolsterten Wangen, den Torturen ihrer Brust-OPs. Jeder Eingriff wurde mit Schreien wonnevollen Entsetzens kommentiert. Deshalb überhörten sie das Klopfen an der Tür. Erst, als es sich zu einem lauten Bummern steigerte, stand Katharina auf und öffnete.
»Einen wunderschönen guten Abend!«
Zunächst sah man nur einen Rollwagen, der mit Geschirr, Besteck, Gläsern und silbernen Hauben beladen war. Dahinter tauchte das Gesicht eines Kellners auf. Mit sicheren Bewegungen bugsierte er sein Gefährt durch den Hindernisparcours der Couchen und Sessel zum Esstisch, der am Fenster stand.
»Bitte sehr, die Damen«, sagte er, während er mit geübten Griffen den Tisch deckte. »Kleiner Gruß aus der Küche. Selleriemousse mit einem Langustino. Dazu servieren wir einen Jahrgangschampagner rosé. Guten Appetit.« Dann zog er sich zurück.
»Das ist ja wie im Märchen!«, flüsterte Evi andächtig.
»Tja, Tischlein-deck-dich gibt’s auch im wahren Leben«, sagte Beatrice. »Worauf wartet ihr?«
Sie setzten sich an den Tisch und begannen sogleich, die Selleriemousse aus den winzigen Gläsern zu löffeln. Kaum hatten sie den Gruß aus der Küche verschlungen, als es ein zweites Mal klopfte.
»Ist offen!«, rief Katharina.
Einen Gang nach dem anderen brachte der Kellner herein. Evi las jedes Mal vor, was serviert wurde: Romanescosalat mit Lammfiletstreifen, Trüffelschaumsüppchen, Loup de mer auf Fenchelrisotto, Tagliatelle mit Belugakaviarcreme, Wachtelbrust an geeister Tomatenessenz und Kerbelkonfit, Wodka-Limonen-Sorbet, Kaninchenrücken mit Backpflaumen-Chutney, Variationen von weißer Schokolade auf Himbeerbavaroise.
Zu jedem Gang wurde ein anderer Wein kredenzt, allesamt beste Lagen aus den berühmtesten Weingütern der Welt. Auch die Etiketten las Evi hingebungsvoll vor. Es war ein Fest. Sie lachten und redeten ohne Pause, während die Gläser unaufhörlich neu gefüllt wurden.
»Fehlt nur noch der Nudelsalat«, sagte Evi, als sie die letzte Himbeere von ihrem Dessertteller fischte. »Huch, ich glaube, ich habe einen Schwips!«
Katharina lockerte den Gürtel ihres Bademantels. »So viel habe ich in den letzten zehn Jahren nicht gegessen!«, stöhnte sie.
Dabei hatte sie die letzten drei Gänge kaum angerührt. Und war auffällig oft in ihrem Badezimmer verschwunden.
»Wieso bist du eigentlich so mager?«, platzte Beatrice heraus. »Ich meine, schlank ist was anderes. Du siehst auswie dein eigenes Röntgenbild. Bist ja nur noch Haut und Knochen.«
Sie sprach aus, was auch Evi dachte. Obwohl
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