Du oder das ganze Leben
ich ihn nicht vergessen?«
Sierra schüttelt den Kopf, als würde sie die Worte ausradieren, die ich gerade gesagt habe. »Das Wichtigste zuerst.« Sie packt mein Kinn und zwingt mich, sie anzusehen. »Alex hat etwas für dich empfunden, ob er es dir gegenüber zugegeben hat oder nicht, ob da eine Wette war oder nicht. Du weißt das, Brit, sonst würdest du diese Handwärmer nicht an dich drücken, als könnten sie dein Leben retten. Zweitens ist Alex aus deinem Leben verschwunden und du schuldest es dir selbst, seinem tapferen Freund Paco und mir, dein Leben wieder in den Griff zu bekommen, auch wenn es nicht leicht ist.«
»Ich denke einfach die ganze Zeit, dass er mich mit Absicht weggestoßen hat. Wenn ich nur mit ihm reden könnte, bekäme ich vielleicht eine Antwort.«
»Vielleicht weiß er die Antworten selbst nicht. Und ist deshalb gegangen. Wenn er sein Leben wegwerfen will und die Chancen ignorieren, die sich ihm bieten, dann ist es eben so. Aber du wirst ihm zeigen, dass du stärker bist als er.«
Sierra hat recht. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, den Rest des Schuljahres durchstehen zu können. Alex hat in der Nacht, in der wir uns geliebt haben, ein Stück meines Herzens mit sich genommen und wird es für immer bei sich tragen. Aber das bedeutet nicht, dass mein Leben eine ewige Warteschleife sein muss. Ich kann keinen Gespenstern hinterherlaufen.
Ich habe an Stärke gewonnen. Zumindest hoffe ich das.
Zwei Wochen später bin ich die Letzte in der Umkleide, die sich für den Sportunterricht umzieht. Das Klackern von Absätzen auf dem Boden lässt mich aufblicken. Es ist Carmen Sanchez. Ich flippe nicht aus. Stattdessen stehe ich gelassen da und sehe ihr fest in die Augen.
»Er war zurück in Fairfield«, erzählt sie mir.
»Ich weiß«, sage ich und denke an die Handwärmer in meinem Spind. Aber er ist fort. Wie ein Flüstern war er da und kurz darauf wieder verschwunden.
Sie wirkt beinah nervös, verletzlich. »Kennst du diese großen Stofftiere, die man als Preise auf der Kirmes bekommt? Diejenigen, die praktisch nie jemand gewinnt, außer ein paar wenigen Glückspilzen? Ich habe nie eins gewonnen.«
»Ja, ich auch nicht.«
»Alex war mein großer Preis. Ich habe dich dafür gehasst, dass du ihn mir weggenommen hast«, gibt sie zu.
Ich zucke mit den Achseln. »Du kannst damit aufhören mich zu hassen. Ich habe ihn auch nicht.«
»Ich hasse dich nicht mehr«, sagt sie. »Ich bin darüber hinweg.«
Ich schlucke und sage: »Ja, ich auch.«
Carmen gluckst. Dann, sie verlässt gerade die Umkleide, höre ich sie murmeln: »Alex jedenfalls nicht, das steht fest.«
Was soll das denn heißen?
Brittany
Drei Monate später
Der August riecht in Colorado definitiv anders als in Illinois. Ich schüttle mein Haar, das ich neuerdings kurz trage, und halte mich nicht damit auf, die Locken zu glätten, während ich meine Kisten in meinem Wohnheimzimmer an der Uni auspacke.
Meine Mitbewohnerin Lexie ist aus Arkansas. Sie sieht aus wie eine kleine Fee, klein und niedlich. Sie könnte glatt eine Nachfahrin von Tinkerbell sein. Ich schwöre, ich habe sie noch nie die Stirn runzeln sehen. Sierra, die an der Uni von Illinois studiert, hatte nicht so viel Glück mit ihrer Mitbewohnerin Dara. Das Mädchen hat den Schrank und das Zimmer strikt zwischen ihnen aufgeteilt und steht jeden Tag (auch am Wochenende) um halb sechs auf, um auf ihrer Zimmerseite Sport zu machen. Sierra ist deswegen ziemlich unglücklich, aber sie verbringt die meiste Zeit in Dougs Wohnheimzimmer, also ist es nicht ganz so schlimm.
»Bist du sicher, dass du nicht mitkommen möchtest?«, fragt Lexie mich. Man hört ihr die Südstaatlerin bei jedem Wort an. Sie geht mit ein paar anderen Erstsemestern auf den Campus, wo eine Willkommensparty stattfinden soll.
»Ich muss noch fertig auspacken und dann gehe ich meine Schwester besuchen. Ich habe ihr versprochen vorbeizukommen, sobald ich ausgepackt habe.«
»Okay«, sagt Lexie und kramt Kleidungsstücke hervor, die sie
anprobiert, um den perfekten Look für den Abend zu finden. Als sie sich für ein Outfit entschieden hat, frisiert sie ihr Haar und legt Make-up auf. Es erinnert mich an mein altes Ich, dasjenige, das die ganze Zeit damit beschäftigt war, die Erwartungen der anderen zu erfüllen.
Als Lexie eine halbe Stunde später geht, setze ich mich auf mein Bett und ziehe mein Handy aus der Tasche. Ich klappe es auf und starre das Bild von Alex und mir an. Ich hasse mich
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