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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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bestimmt. An der Wurst schien diese eindeutige Ablehnung spurlos vorüberzugehen: »Was plant ihr denn für eine Veranstaltung, so, wie ihr gekleidet seid? Eine Posse?«
    »Genau! Das ist es: eine kleine Posse. Ein Akt«, sagte Mendelssohn. »Eine Posse aus dem kirchlichen Milieu.«
    »Und habt ihr schon einen Text? Oder wollte ihr improvisieren?« Und das fragte er in einem Tonfall, der eigentlich sagte: »Was wollt ihr kleinen Loser auf dem schweren Boden der Schriftstellerei? Tut doch lieber etwas, von dem ihr was versteht!«
    Nun meldete sich Cromwell. Er tippte an seine Stirn und sagte: »Unsere kleinen grauen Zellen werden das schon richten.« Und ich fügte mit falsch-demütiger Stimme hinzu: »Unsere kleinen Zellen UND natürlich Gott.« Die Schwestern lachten, und das schien der Wurst überhaupt nicht zu gefallen, denn jetzt wurde er amtlich: Dass es nicht so einfach sei, einen Akt – und sei es auch ein einziger, kleiner Akt – zu schreiben. Und da könne ja wohl jeder kommen? Nein, da könne eben nicht jeder kommen. Dann schien sich der Wurstmann darauf zu besinnen, dass er nicht zum Streiten hier war, sondern zum Buhlen. Er mäßigte sich, kippte seine Stimme ins Freundliche und sagte sympathisierend: »Ich kann euch gerne dabei helfen.«
    »Ach, lass das mal unsere Sorge sein!«, sagte Cromell
so betont leichthin, dass ich mich an der Stelle von Wurst gedemütigt gefühlt hätte. Aber Wurst schien doch eine dickere Haut beziehungsweise eine fettere Pelle zu haben als vermutet: Er entblödete sich nicht, wieder seine Griffel um meine Marvie zu legen und uns zu verstehen zu geben, dass wir selbstverständlich auf seine Hilfe angewiesen seien. Und er uns wirklich gerne und freigiebig an seiner Kunst teilhaben lassen würde.
    Er tat mir plötzlich leid. Da saß eine dicke, dicke Wurst und wollte nichts anderes, als ein bisschen mitspielen. Aber die anderen waren alles andere als begeistert. Sie überhörten sein Bitten und sprachen alle durcheinander: Katharina und Ritchie befanden, dass die geplante Posse ein Hauptvergnügen würde; Mendelssohn begann, mit Cromwell über das Bühnenbild zu fabulieren; Laura sagte, dass unser Stück auch gerne eine Musikeinlage haben sollte. Marvie saß immer noch ruhig da und ließ sich von der Wurst anfassen. Welch ein unappetitlicher Anblick! Seine kleinen feisten Hände! Sein Wanst – prall wie ein Medizinball mit zu viel Atü. Wie konnte sich eine Elfe wie Marvie so einem sprechendem Knödel hingeben! So einer dank eines zu großen Egos aufgetriebenen Buchtel! So einem Vollhorst! Allein der Gedanke, dass diese Hände, die eher eine Ähnlichkeit mit Weißwürsten statt mit normalen Extremitäten hatten, meine Marvie befummelten – mein gerade aufkommendes Mitleid mit dem Plumpsack erstarb. Oh, zum Kotzen! Auch zum Kotzen: Wie dieser Narr mit einer hell leuchtenden Selbstgefälligkeit ein Glas Rotwein nach dem anderen in seinen wichtigtuerischen
Leib schob! »Hast du eigentlich ein Cabrio?«, fragte ich ihn. Das Lachen unserer kleinen Gesellschaft – es war ja geradezu gemein. Wurst versuchte, in seiner Unwissenheit eine möglichst souveräne Figur zu machen. Er sah mich drohend an und fragte mit lauernder Stimme: »Wie meinst du das? Warum willst du das wissen? Und: Nein, ich habe kein Cabrio. Ich brauche im Gegensatz zu manch anderem kein Statussymbol.«
    »Neenee, war auch nur ein Scherz.« Ich wollte ihn ja nicht wirklich in Rage bringen, dafür sah er mich viel zu böse an. »Nur ein belangloser Insider-Scherz!«, schob ich schnell hinterher. Und dachte, dass dieser Satz seine Stimmung entschärft hätte. Aber dem war nicht so: Die Wurst platzte beinahe aus der Haut und ging so unerwartet auf Konfrontation, dass mir mulmig wurde: »Ich weiß ja nicht, wer du bist oder was du machst. Aber du scheinst dich für ein echt komisches Kerlchen zu halten!«
    Marvie sagte unruhig: »Lass uns doch reingehen. Mir wird kalt.« Dabei sah sie mit gehetztem Blick zwischen mir und der Wurst hin und her. »Haltstopp, nicht so schnell!«, sagte Wurst. »Vielleicht hat mir der Komiker ja noch was zu sagen!«
    »Nein, habe ich nicht.« Wurst sah mich an mit einer Mördermine: »Was treibt so einer wie du eigentlich im Leben? Arbeitest du als Clown?«
    »Zu viel der Ehre. Ich bin doch nur ein harmloser Erzbischof.«
    »Ich würde eher sagen: ein vollkommen harmloses Großmaul.«

    Jetzt blickte unsere ganze Gesellschaft besorgt zwischen der Wurst und mir hin und her. Und da

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