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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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erst wurde mir klar, was wir hier vor uns hatten: Nämlich eine eins a und wie aus einem Lehrbuch für soziale Kompetenz sauber eskalierte Situation. Es war wirklich absurd: Da sitzen ein wütender Fettmops und ein süffisanter Erzbischof beisammen, und der Erzbischof hat keine große Lust auf eine Eskalation, kann aber seine Klappe nicht halten. Und jetzt muss der Erzbischof irgendwie raus aus dieser Nummer, ohne dass es zu Tätlichkeiten kommt… Obwohl … Manchmal ist Gewalt nicht rundherum abzulehnen … Aber das wäre nun wirklich nicht erwachsen … Und wie soll man sich noch selbst im Spiegel anschauen, wenn man einen auf die Zwölf als Kommunikation bezeichnet? Man ist doch schließlich nicht Erzbischof Mixa!
    Nein, ich musste jetzt darauf achten, dass der Dicke und ich unser kleines Scharmützel ohne Gesichtsverlust beendeten. Und ich sagte etwas, dass ich mir unbedingt hätte verkneifen sollen – aber hinterher ist man ja immer klüger, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und draußen gibt′s nur Kännchen –, kurz: Ich Tölpel sagte zu der Wurst – und meinte es durchaus in Befriedungsabsicht:
    »Ruhig Blut! Wir kochen doch alle nur mit Wasser!«
    Oha.
    Völlig falsch.
    Die Wurst ging hoch: Sicher würde ICH nur mit Wasser kochen, aber ich sollte da nicht von mir auf ihn schließen; ER sei erwiesenermaßen ein nicht erfolgloser, hart arbeitender Mann, während ich ihm schwerlich vergleichbar
sei. Ich wirke auf ihn eher wie ein zurückgebliebener Kasper, wie ein ausrangierter Katzenfurz, dem er eigentlich am liebsten die Fresse polieren würde … und überbordend quakte die Wurst wüste Beschimpfungen, von denen ich mich wunderte, dass er sie mit mir assoziierte. Jedenfalls hat mich noch niemand darauf aufmerksam gemacht, dass mein Gesicht eine einzige Einladung dazu ist, mir die »Zähne einzuschlagen« oder dass ich »den IQ einer vollgeschissenen Windel« habe.
    Wir alle waren baff ob dieses abrupten Kontrollverlustes, dieser verblüffenden Eruption. Katharina wurde es jetzt zu bunt: Die Wurst solle nicht ihre Gäste beleidigen, solche Sachen wolle sie nicht in ihrem Garten hören!
    Und sofort wendete sich der Zorn der Wurst gegen sie: Was sie sich denn einmische! Und dass er sehr wohl das Recht habe, einen intellektuellen Hänfling wie mich in seine Schranken zu weisen! Auch wenn ihr das nicht passe und sie in ihrem Nassauerleben störe; überhaupt: ihr Nassauerleben! Ihr völlig sinnloses Dasein! Sich aufspielen wie Graf Koks; die ganze Familie sei ja entsprechend verrottet; er selbst stamme nicht aus einem Haushalt, dem von Anfang an der goldene Löffel in den reichen Arsch geschoben worden sei. Er habe immer für sich selbst sorgen müssen. Und sei damit immer gut gefahren beziehungsweise hätte er allein aufgrund seines Talentes sein Leben führen können. Und er hätte es nie nötig gehabt, anderen für seinen Lebensunterhalt in den Arsch kriechen zu müssen, aber bei der Familie Lövenich wäre das ja wohl ganz anders … Kurz: Die Wurst redete sich so richtig in
Stimmung, und nach einer Minute war nicht mehr nachzuvollziehen, WEN er jetzt eigentlich WARUM beleidigte. Nur, dass er über einen sehr passablen Schatz an Kraftwörtern verfügte.
    Die Schwestern schauten sich hilflos an und Ritchie schien derart überfordert, dass er mit einem kurzen »Ich muss mal!« im Haus verschwand. Meine Marvie war so blass geworden, dass sie in der Dämmerung nahezu leuchtete. Laura nahm ihre Hand und sprach beruhigend auf sie ein, Katharina war aufgestanden. Sie machte die eindeutigen Gesten eines Gastgebers, der einen Gast hinauskomplementieren will. Mendelssohn lauschte mit vor Konzentration spitzen Ohren. Cromwell und ich erhoben uns unsicher.
    »Ich will, dass du jetzt gehst!«, sagte Katharina zur Wurst. »Und ihr bleibt schön sitzen!«, fuhr sie uns an, so bestimmt, dass wir uns wieder setzten. Wurst laberte noch immer weiter – es hatte etwas Automatisches; wie ein ferngesteuerter Beleidigungsroboter zog er sein Programm der Generalbeleidigungen durch. Und meine Marvie schien den Tränen nahe. Und zuckte zusammen, als die Wurst sie aufforderte, sich unverzüglich von ihrer unsauberen Familie loszusagen. Und sie müsse sich jetzt, hier, sofort entscheiden: Wurst oder Familie! Ein »sauberes« Leben mit ihm oder weiter in der schandbaren Familie vegetieren! Na los! Hopphopp!
    In meinem Kopf wurde es dunstig. Und Marvie begann nun tatsächlich zu weinen. Während der Dicke weiter hetzte.

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