Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
Ihnen eigentlich auch Probandinnen?«
»Natürlich müssen neue Medikamente auch am weiblichen Organismus getestet werden. Aber die Grundtests führen wir in erster Linie an männlichen Probanden durch. Bei Frauen kann es gewisse methodische Schwierigkeiten geben.« Er knackte mit den Fingerknöcheln. »Der … äh … weibliche Zyklus schafft ungleiche Ausgangsbedingungen.« Cynthia sah aus den Augenwinkeln, wie noch jemand die Cafeteria betrat.
»Vor ein paar Monaten hatten wir eine gemischtgeschlechtliche Gruppe für eine Asthmastudie«, fuhr Ken fort. »Aber dabei wurde untersucht, wie gut das Medikament bei tatsächlichen Asthmatikern wirkt, und wir haben uns ausschließlich auf die Lungenkapazität vor und nach der Medikamenteneinnahme konzentriert. Wir haben weder Blut- noch Urinproben genommen. Wir müssen bei weiblichen Probanden äußerst vorsichtig sein, da sie, äh, zusätzliche Untersuchungen erfordern. Manchmal sind sie beim Auswahlverfahren noch nicht schwanger, doch dann stellen wir kurz vor Beginn der Testreihe fest, dass sie inzwischen unwissentlich schwanger geworden sind.«
»Oder während der Testreihe«, sagte eine tiefe Männerstimme. Sie zuckte zusammen und drehte sich um. Ein Mann, der etwa in ihrem Alter war, stand vor einem Schokoriegel-Automaten, die Hände in den Taschen seines Laborkittels. Automatisch setzte sie sich gerade hin. Er sah gut aus, war groß und schlank und hatte etwas zerzaustes dunkles Haar. Und seine Augen …
»Haben Sie verschiedenfarbige Augen?« Das war ihr einfach so herausgeplatzt.
Er schloss kurz das rechte (blaue) Auge und sagte: »Einer von zehntausend.«
»Wie bitte?«
»Einer von zehntausend Menschen hat verschiedenfarbige Augen. Ich heiße übrigens Damien.«
»Cynthia Wills vom Sentinel .«
»Ah ja, die Reporterin. Ich habe schon gehört, dass Sie kommen, beziehungsweise so etwas vermutet, als man uns sagte, dass wir die Leichen in der Tiefkühltruhe verstecken sollen.«
Ken wirkte irritiert. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Damien … Das ist ein Gespräch unter vier Augen.«
Lächelnd begann Damien, den Automaten mit Münzen zu füttern. Ein Schokoriegel fiel mit einem dumpfen Knall in den Ausgabeschacht.
»Während der Testreihe … tatsächlich?«
Er lehnte sich an den Automaten und riss die Verpackung auf. »Natürlich. Die sitzen hier wochenlang fest und langweilen sich. Und wenn Leute sich langweilen, haben sie Sex.«
Er betonte das letzte Wort, ließ es in dem sterilen Raum nachhallen. Ken ließ mit finsterem Gesicht erneut seine Knöchel knacken. Damien brach ein Stück von seinem Schokoriegel ab, ohne den Blick von Cynthia zu wenden.
»Langeweile hin oder her: Das überrascht mich schon ein wenig«, sagte sie. »Ich konnte bisher nur einen flüchtigen Blick in den Klinikbereich werfen, aber was ich da gesehen habe, ist nicht gerade eine Auswahl für den nächsten Mr.-Universum-Wettbewerb.«
Damien lachte. »Ja, diesbezüglich hat Draycott wirklich nicht allzu viel zu bieten. Die meisten sind Ex-Knackis. Aber was kann man bei Leuten, die bereit sind, sich für einenHunderter am Tag als Versuchskaninchen benutzen zu lassen, schon groß erwarten?«
»Jetzt reicht’s aber, Damien«, sagte Ken und warf einen nervösen Blick auf Cynthias Notizblock. »Er macht natürlich bloß Spaß. Wir bringen unseren Versuchspersonen größten Respekt, ja sogar Zuneigung entgegen. Viele von ihnen sind wiederho…«
»…lungstäter«, beendete Damien den Satz. Er schob sich noch ein Stück Schokolade in den Mund und steckte den Rest in seine Kitteltasche, wobei er Kens tödlichen Röntgenblick ignorierte. »Aber Ken hat recht: Wir lieben sie wirklich. Sie mögen Abschaum sein, aber wenigstens sind sie unser Abschaum.«
Cynthia sah zu Ken hinüber. »Dürfte ich ein paar von ihnen kennenlernen? Sie fragen, warum sie hier sind?«
Der Studienleiter machte ein gequältes Gesicht. »Ich fürchte, nein. Schon aus Datenschutz-, aber auch aus anderen Gründen.«
Damien grinste sie mit verschränkten Armen an. »Er hat bloß Angst, dass Sie die Studie stören. Diese Männer sind hier seit drei Wochen zusammen eingesperrt. Schleust man eine attraktive Frau in ihr Ökosystem ein, spielen womöglich die Werte der Teilnehmer verrückt – Herzrasen und so.«
Cynthia spürte, wie sie selbst Herzklopfen bekam, und konnte nur hoffen, dass sie nicht rot wurde. Bei dieser gnadenlosen Beleuchtung würde es ihm sofort auffallen. Damien ging zum Kaffeeautomaten und
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