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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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akzeptieren werden. Aber ich kann nur meine Eindrücke schildern, nicht ihre. Und versuchen, die Wahrheit zu sagen. Ich glaube, dass Assad eine tragische Figur ist.
    Das Interview
    Am nächsten Morgen gehe ich mit Frédéric noch einmal das Interview durch. Es enthält auch drei Fragen der Exil-Opposition. Ich habe einen syrischen Freund, der Assad von Europa aus politisch bekämpft, um seine wichtigsten Fragen gebeten. Er hatte mich seinerzeit bei meinem Buch Warum tötest du, Zaid? wissenschaftlich beraten.
    Dann werden wir von unserem Hotel abgeholt. Mit zwei großen Wagen, einem schwarzen BMW -Kombi und einem silbernen Hyundai. Sowie einem Motorradfahrer in weiß-blauer Galauniform. Das soll wohl die Gegenleistung dafür sein, dass ich versprochen habe, erneut eine Krawatte zu tragen.
    Die auffällige Abholung gefällt uns gar nicht. Unsere relative Anonymität in unserem kleinen Hotel ist damit ein für alle Mal dahin. Außerdem ist die Fahrt mit zwei repräsentativen Autos quer durch die Stadt ein Sicherheitsrisiko. Wenigstens lotst uns der auffällige Motorradfahrer nur bis zum Ausgang des Christenviertels Bab Tuma.
    Dennoch machen auch danach die meisten Autos unseren zwei Wagen sofort Platz. Fast jeder erkennt, dass es Regierungsfahrzeuge sind. Um mich abzulenken, gibt mir Frédéric Bilder Prominenter, die in den letzten Jahren Assad besucht haben. Das Spektrum reicht von Guido Westerwelle bis zu Nicolas Sarkozy mit Carla Bruni. Sarkozy lächelt Assad schwärmerisch verträumt an. Er wird nur noch übertroffen von John Kerry, der Assad mehrmals in Begleitung seiner Ehefrau besucht hat.
    »Du bist in guter Gesellschaft«, grinst Frédéric spöttisch. Aber er weiß auch, dass die meisten Berühmtheiten, die Assad noch vor zwei Jahren um ein Gespräch baten, längst auf Tauchstation gegangen sind. Oder das Lager gewechselt haben. Wie Sarkozy, der Assad gerne bombardieren möchte. Aber diese Lust überkommt Sarkozy häufiger.
    Im Palast sind Dutzende Techniker am Werkeln. Allein in dem Raum, in dem das Interview stattfinden soll, sehe ich zehn Personen. Im danebenliegenden Regieraum fünfzehn. Alle sind freundlich. Vor allem nachdem ich jeden mit Handschlag begrüßt habe. Auch Stefan Rocker und Frau Luna sind äußerst hilfsbereit. Letztere bedankt sich ausdrücklich für meine Krawatte.
    Nach zwanzig Minuten wird der Präsident angekündigt. Von nun an läuft alles nach Protokoll. Frau Luna zeigt mir, von wo er kommen werde und wo ich bitte stehen solle. Für die Fotografen, sagt sie entschuldigend. Frédéric raunt mir noch einmal zu, was er mir schon seit Tagen eintrichtert: »Wehe, du lächelst!« Als unparteiischer Fragesteller müsse ich auch unparteiisch blicken.
    Assad kommt über einen langen Gang. Schon von Weitem strahlt er. Doch ich blicke ihn, Frédérics Anweisungen folgend, ernst an. Assad schüttelt mir trotzdem herzlich die Hand. Wieder verziehe ich keine Miene. Wenn schon, denn schon. Mehrere Kameras sind auf uns gerichtet. Assad ist über den kühlen Empfang irritiert.
    Als wir uns schließlich gegenübersitzen und die Mikrofone überprüft werden, fragt er etwas verunsichert, ob es Probleme gebe. Ich schüttle den Kopf: »Alles okay. Das wird ein gutes Interview.« Er scheint beruhigt. Dann kommt das Zeichen zum Start.
    Meine erste Frage lautet: »Herr Präsident, Anhänger der Opposition und westliche Politiker sind der Auffassung, dass Sie das größte Hindernis für Frieden in Ihrem Land sind. Wären Sie bereit zurückzutreten, wenn ein solcher Schritt Frieden bringen und das Blutvergießen beenden würde?«
    Für arabische Verhältnisse ist das eine respektlose Frage. Doch Assad bleibt ruhig. »Ein Präsident sollte vor nationalen Herausforderungen nicht davonlaufen. Ob ich gehe oder nicht gehe, soll das syrische Volk entscheiden.«
    Neunundvierzig Fragen und Zusatzfragen stelle ich, die er alle ruhig beantwortet. Auch die Frage, ob er nicht Angst um seine Frau und seine drei kleinen Kinder habe, wenn er an Gaddafi und Mubarak denke. Er antwortet, das Wichtigste im Leben sei, dass man von dem, was man tue, überzeugt sei. Wer sich für sein Land einsetze und die Bevölkerung schütze, brauche keine Angst haben.
    Ich hätte gerne noch viel mehr Fragen gestellt. Doch die große Leuchtuhr vor uns ist unerbittlich. Assad scheint nicht ganz zufrieden zu sein. Er konnte zwar seine Position erläutern. Aber 20 Minuten sind im Orient sehr kurz. Er verabschiedet sich trotzdem betont freundlich.

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