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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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Exil-Opposition. Das ist Frédérics Hauptpunkt. Frédéric, der sich ansonsten zurückhält, plädiert leidenschaftlich für Dialog und nationale Aussöhnung. Mit allen.
    Assad stimmt ihm zu. Bedingung sei allerdings, dass die Rebellen ihre Waffen niederlegten. Nur mit ausländischen Kämpfern werde er nicht verhandeln. Allerdings müsse sich die Opposition auf bevollmächtigte Sprecher einigen. Zurzeit seien die Inlandsrebellen und die Auslandsopposition zersplittert und zerstritten. Es gebe keinen von allen anerkannten Gesprächspartner.
    Die USA verstehe er überhaupt nicht. Die regierenden Demokraten dächten offenbar, die einst guten Beziehungen zu säkularen Staaten wie Ägypten oder Tunesien sowie der Kampf gegen Al-Qaida hätten nichts gebracht. Jetzt versuche man es daher mit den Islamisten. Selbst bei Terroristen unterscheide die US -Regierung mittlerweile zwischen einer guten und einer schlechten Al-Qaida. Gut sei Al-Qaida anscheinend dann, wenn sie in Syrien für die Interessen der USA kämpfe.
    Im Verhältnis zu den USA gebe es nur vier Probleme. Sie beträfen Iran, den Libanon, Israel und Palästina. Sie seien alle fair lösbar. Wenn die USA die Interessen Syriens respektierten, werde sein Land auch die Interessen der USA anerkennen. Man könne allerdings nicht von ihm verlangen, dass er Freunde und Verbündete fallen lasse. Assad macht an dieser Stelle konkrete Lösungsvorschläge, über die ich später in Umrissen auch die amerikanische Regierung informiere.
    Assad bezweifelt allerdings, dass die USA zu Gesprächen bereit seien. Sie glaubten, dass sie ihre Ziele mit Gewalt leichter durchsetzen könnten. Er sei skeptisch, ob ihnen überhaupt klar sei, was sie in der Region anrichteten.
    Ich kritisiere den Einsatz schwerer Waffen der Regierungstruppen gegen Wohngebiete, in denen sich Rebellen aufhielten. Assad zeigt Verständnis für diese Kritik. Aber es sei völkerrechtswidrig, dass Rebellen sich hinter Zivilisten versteckten und sie als Schutzschilde benutzen.
    Er schildert sein Dilemma als Präsident. Jeden Tag stürben Dutzende seiner Soldaten und Polizisten. Wenn er seine Soldaten noch häufiger zum Nahkampf in die Häuser schicke, würden noch mehr sterben. Er habe nicht das Recht, das Risiko seiner Soldaten weiter zu erhöhen. Er müsse jeden Tag den Familien der getöteten Soldaten und Polizisten in die Augen sehen.
    Für Straßen- und Häuserkämpfe sei seine Armee auch gar nicht ausgebildet. Seine Soldaten hätten gelernt, Grenzen zu verteidigen. Jetzt müssten sie in ihren eigenen Städten gegen frühere Freunde kämpfen – und sterben.
    Im Übrigen verließen die meisten Zivilisten in der Regel sehr schnell die umkämpften Wohngebiete. Sie würden dazu von seinen Truppen über Lautsprecher auch ausdrücklich aufgefordert. Doch es komme in der Tat zu tragischen Zwischenfällen, bei denen auch unschuldige Zivilisten getötet würden. Er beklage dies sehr. Doch er bezweifle, dass sich ein amerikanischer Präsident bei bewaffneten Aufständen in seinem Land anders verhalten würde und könnte. Das Gewaltmonopol liege nun mal beim Staat und nicht bei den Aufständischen.
    Ich frage ihn, wie lange er sich das Präsidentenamt noch antun wolle. Diese Frage habe ich anderen Staatschefs nie stellen müssen. Weil sie alle äußerst gerne die Nummer eins waren. Bei Assad habe ich Zweifel, ob er seinen Beruf als Pflicht oder als Kür sieht.
    Er antwortet, dass er diese Frage mit seiner Frau häufig bespreche. Er wisse nicht, ob er nach einer Beendigung der Krise noch einmal kandidieren werde. Vor einer Lösung des Konflikts werde er allerdings in keinem Fall abtreten. Er habe nicht das Recht, in der Krise davonzulaufen. Seine Kinder sagten ihm trotzdem fast täglich: »Wir wollen nicht, dass du Präsident bist!«
    Was er machen werde, wenn er nicht mehr Präsident sei? Zuerst wolle er viel Zeit mit seiner Familie verbringen. Er habe ihr als Familienvater nie das geben können, worauf sie Anspruch habe. Und dann? Arzt könne er, 17 Jahre nachdem er den Beruf aufgegeben habe, nicht mehr werden. Aber vielleicht könne er Vorlesungen halten oder etwas Ähnliches. Zum ersten Mal leuchten seine Augen ein wenig. Dieser Mann, der so gerne lacht, ist in seinem Inneren tieftraurig.
    Ich frage Assad, ob nicht auch viele andere syrische Familien von einem friedlichen Leben träumten. »Nicht nur viele«, antwortet er. »Alle.«
    Ich weiß, dass Assads Feinde diese Beschreibung seiner Persönlichkeit nicht

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